William Voltz

Biografie

Teil 4

Im Jahr 1963 schrieb Kurt Bernhardt an Willi:

Auch ich freue mich, daß Sie sich im Laufe der Zeit ausgezeichnet in das PERRY RHODAN-Team eingefügt haben und daß Sie heute schon mit zu den Spitzenautoren gehören…

Man erinnerte sich aber auch an Willis Kurzgeschichten. Mit der Nummer 316 erschien in der TERRA-Reihe des Moewig-Verlags der Band "QUARANTÄNE und andere Stories."

Unter dem Titel GRATULATION verfasste Walter Ernsting eine durchweg positive Kritik zu diesem TERRA-Kleinband, der die Stories Heimkehr bei Nacht, Ernesto, der Ballspieler, Quarantäne, Vorurteile und Der Preis enthielt.

W.E. beendete seinen Bericht über Willis Debüt in der TERRA-Reihe mit den Worten:

Lesen Sie selbst diese fünf SF-Stories von W. Voltz, dann werden Sie begreifen, warum ich so rückhaltlos begeistert bin.

Die Sammlung QUARANTÄNE wäre eines Heyne-Taschenbuches würdig gewesen, denn sie gefällt mir wesentlich besser als der Großteil der dort erscheinenden Kurzgeschichten. Auf der anderen Seite hat TERRA-Kleinband Nr. 316 bewiesen, wie unsagbar dumm jemand ist, der Hefte pauschal als Schund bezeichnet. Wer einen Menschen nach seinem Anzug allein beurteilt, ist auch dumm. – Nochmals, WiVo, meine Gratulation. Mit diesen fünf Stories hast Du die Spitze erreicht und sogar Franke übertroffen.

Da Willi inzwischen motorisiert war, konnten wir gelegentlich einen Trip zu Heidrun und Karl-Herbert Scheer machen. KHS nahm damals noch an, dass Willi handwerklich begabt sei und bat ihn, eine Rohrzange mitzubringen, weil in seinem Bad ein Wasserhahn tropfte. Der immer hilfsbereite Willi ließ sich von seinem Vater die benötigte Zange geben und nahm sie mit nach Friedrichsdorf, um das Problem zu beheben. Weder Willi noch Karl-Herbert waren in der Lage, das Tropfen des Wasserhahns zu beenden. Es gab zwar, wie an anderer Stelle berichtet, keine Überschwemmung im Hause Scheer, aber für die Beseitigung des Problems musste ein Fachmann gerufen werden.

In anderer Hinsicht erkannte KHS jedoch bald Willis Fähigkeiten. Es ergab sich, dass bei allen Treffen über die Fortführung der PERRY RHODAN-Serie gesprochen wurde. Willi war nicht der Autor, der nur aufs nächste Exposé wartete. Obwohl es nicht seine Aufgabe war, machte er sich Gedanken über die zukünftige Handlung, über Personen, Figuren etc. Willis Integration in die Serie hatte stattgefunden und er fühlte sich von Anfang an mitverantwortlich. Der Exposé-Redakteur nahm die Unterstützung gerne an und bat Willi schon bald, seine Ideen niederzuschreiben und ihm zu senden oder beim nächsten Treffen mitzubringen.

So kam es, dass Willis Ideen, seine Phantasie, schon sehr früh die PERRY RHODAN-Serie mitprägten – lange bevor seine Mitarbeit an den Exposés offiziell begann.

Es war Ende 1963, an einem kalten Wintertag, als mich Willi nach Nieder-Eschbach fuhr. Als er sich auf den Rückweg nach Offenbach machte, lag eine dicke Eisschicht auf den Straßen. Willi sah darin kein Problem. Er meinte nur: „Ich fahre vorsichtig!“

Zwischen Nieder-Erlenbach und Bad-Vilbel kam der Opel ins Rutschen, überflog einen Graben und landete im Acker. Willis geliebter alter Opel saß fest. Was tun – mitten in der Nacht? Er stieg aus und machte sich auf den Weg nach Bad-Vilbel, in der Hoffnung, ein Hotel zu finden. Nach einem längeren Fußmarsch kam er in Bad-Vilbel an und fand auch ein kleines Hotel. Die Tür war verschlossen und Willi musste klingeln. Eine Frau öffnete die Tür und musterte ihn misstrauisch. Willi hinterließ keinen Vertrauen erweckenden Eindruck. Wer versucht schon mitten in der Nacht, mit schmutziger Kleidung, zu Fuß und völlig übermüdet, in Bad-Vilbel ein Hotelzimmer zu bekommen? Er schilderte seine Situation und bekam ein Zimmer für diese Nacht. Am nächsten Morgen bestellte sich Willi ein Taxi, das ihn an den Ort des Geschehens zurückbrachte. Die Polizei war bereits da und suchte nach dem Verletzten.

Willi erklärte, dass er der Besitzer des Wagens sei und erzählte von seinem Missgeschick. Der Blick des Polizisten wanderte von Willis müdem Gesicht hinunter zu seinen verschmutzten Schuhen und der Mann meinte nur: „Na ja, jetzt müssen wir eine Lösung finden, wie wir ihr Auto aus diesem Acker herausholen können. Fahren können Sie damit bestimmt nicht mehr.“

Sie schafften es mit Hilfe eines Traktors, den ein Bauer zur Verfügung gestellt hatte.

Als Willi mich später anrief, um mir von seinem Missgeschick zu erzählen, sagte er: „ Mein Opel wurde aus einem Acker gezogen – er schüttelte sich kurz und brachte mich dann sicher nach Hause.“

Heute, mehr als vierzig Jahre später und im Handy-Zeitalter, kann man über eine solche Situation wahrscheinlich nur noch schmunzeln.

Wir hatten für lange Zeit etwas zu erzählen, worüber jeder lachen konnte. Es war ja schließlich alles gut gegangen.

Am 5.Februar 1964 heirateten wir. Ich kam ein paar Tage vor diesem Termin aus dem Krankenhaus, und wir verzichteten auf eine größere Zeremonie. Eine kirchliche Heirat sollte nachgeholt werden, wenn es mir besser ginge. Wir trafen uns in der Wohnung meiner zukünftigen Schwiegereltern, die inzwischen in die Hospitalstrasse umgezogen waren und nur zwei Fußminuten vom Standesamt entfernt wohnten. K.H. und Heidrun Scheer trafen ein und überreichten uns ein Stövchen als Geschenk.

„Von einem armen Häuslebauer“, meinte KHS, der unser Trauzeuge war. Wir freuten uns und waren dankbar.

Nach einem gemeinsamen Mittagessen in einem Offenbacher Restaurant gab es noch einen kleinen Sektempfang in der Wohnung meiner Schwiegereltern. Danach fuhren Willi und ich als Frisch-Vermählte zu meiner Mutter nach Nieder-Eschbach. Meine Großmutter war erkrankt und wohnte inzwischen bei meiner Mutter. Die große Wohnung in der Bleichstrasse musste aufgegeben werden. Im kleinen Familienkreis aßen wir den guten Kuchen, den meine Mutter für uns gebacken hatte.

Für den Abend luden uns Scheers noch nach Friedrichsdorf ein. „Kommt doch nach dem Abendessen noch zu uns!“ meinte KHS bei der Verabschiedung in Offenbach.

Somit endete der Tag im Hause Scheer und mit der Fernseh-Sendung „Mainz – wie es singt und lacht“.

Nach dem Besuch bei Familie Scheer brachte mich Willi zu meiner Mutter – er fuhr nach Offenbach in sein kleines Zimmer. Das war unser Start in die Ehe.

Der Umzug in unsere eigene Wohnung zog sich noch bis Mitte März hin. Willi schlief und arbeitete weiterhin in seinem winzigen Zimmer in der Bleichstrasse. Die Firma Sebold, für die mein Schwiegervater nach wie vor arbeitete, expandierte und plante einen Umzug. Herr Sebold gestattete uns die Benutzung der leer stehenden Wohnung, bis wir unser eigenes Zuhause beziehen konnten. Ich packte meine Sachen und zog zu Willi.

Durch seine Mitarbeit an der PERRY RHODAN-Serie hatte Willi Ersparnisse, die es uns ermöglichten, einen kleinen Haushalt zu gründen. Unser erstes Möbelstück war ein zweiteiliger Küchenschrank, den uns Scheers anboten, weil sie nun im neuen Haus, das Ende 1963 bezogen wurde, eine moderne Einbauküche hatten.

Die Abholung des Schranks verlief abenteuerlich. Zwei Fahrten mit Willis Cabriolet waren nötig, um das gute Stück von Friedrichsdorf nach Offenbach zu transportieren. Das Thermometer zeigte fast zehn Grad minus und Willi war gekleidet wie ein Polarforscher. Außerdem musste er darauf achten, dass ihm die Teile nicht aus dem Auto fielen. Als er mit Eiszapfen an der Nase nach Hause kam, wärmte ich ihn u. a. mit heißem Tee. Er meinte, dass ihm manch verwunderter Blick gefolgt sei. Nachdem der Schrank nun aufgebaut vor uns stand, fanden wir beide, dass wir für 450.– DM auch etwas Neues hätten kaufen können. Zweieinhalb Jahre später verschenkten wir den Küchenschrank.

Die Übergangsphase und die damit verbundenen Umstände störten uns nicht. Wir waren jung, unkompliziert, und wir freuten uns auf unsere erste gemeinsame Wohnung, die wir in Hainstadt, im Landkreis Offenbach, gefunden hatten und bald beziehen durften.

Teil 5

Im März 1964 war es soweit – wir bezogen endlich unsere eigene Wohnung. Damals ahnten wir noch nicht, dass diese zweieinhalb Jahre, die wir in Hainstadt lebten, eine gute Story für das Buch „Geschichten, die das Leben schrieb“ werden würden.

Wir legten sie unter „Erfahrungen“ ab.

Die Wohnung lag im ersten Stock eines Zweifamilien-Hauses und hatte drei Zimmer. Neben Küche und Bad war die Tür zum Wohnzimmer in dem eine große Schiebetür war, durch die man ins Schlafzimmer kam. Auf der rechten Seite des quadratischen Flurs lag das so genannte Kinderzimmer. In unserer jugendlichen Unbekümmertheit ließen wir uns darauf ein, dass wir nur zwei Zimmer mieteten. Das dritte Zimmer sollte der Mutter des Hausbesitzers als Schlafzimmer dienen. Im Parterre war das Kinderzimmer zu einem kleinen „Tante Emma Laden“ umfunktioniert worden, den die Mutter betrieb. Außerdem musste sie noch das Enkelkind hüten, da die jungen Leute in Frankfurt arbeiteten.

„Sie kommt nur zum Schlafen hoch und wird sie ganz bestimmt nicht stören!“, meinte der Vermieter damals. Wir hätten es besser wissen sollen.

Neben diesem Problem gab es noch ein weiteres – wir hatten kein Telefon!

Das Wohngebiet war etwa drei Jahre zuvor errichtet worden; der Post war es jedoch noch nicht gelungen, die nötigen Leitungen für Telefonanschlüsse zu legen. Es sollte auch noch keine geben, als wir zweieinhalb Jahre später wieder auszogen. Das nächste Telefonhäuschen war am anderen Ende des Ortes und entweder mit dem Auto oder einem zwanzigminütigen Marsch zu erreichen. Das bedeutete, dass wir weiterhin Markstücke sammeln mussten, damit Willi regelmäßig G.M.Schelwokat anrufen konnte.

Der Mietpreis für unser kleines Reich betrug DM 150.–. Willi war, was die Finanzen betraf, sehr von seinem konservativen Vater geprägt.

„Eine Monatsmiete sollte einen Wochenlohn nicht überschreiten“, war der Rat des Vaters. Willi war damals noch Arbeiter und rechnete sein Einkommen, das er durch seine Mitarbeit an der PERRY RHODAN-Serie erwarb, nicht mit.

Am Tag unseres Umzugs fuhr ich mit dem Bus von Offenbach nach Hainstadt, um unser neues Domizil zu putzen und für den Einzug vorzubereiten. Willis Freund Günter half dabei, unsere Habseligkeiten in einen kleinen Transporter zu packen. Der Scheersche Küchenschrank war das größte Möbelstück. Die anderen Möbel waren neu und wurden geliefert.

Kleinigkeiten befanden sich bereits in der Wohnung, so z.B. eine Kiste mit Büchern. Ich fand darin den Roman „1984“ von George Orwell (fünfte Auflage 1956). Nachdem die Arbeit getan war, setzte ich mich auf den Fußboden und begann zu lesen. Als es langsam dunkel wurde, musste ich das Buch wieder weglegen, weil es noch kein Licht in der Wohnung gab.

Endlich kamen die beiden Freunde, schlossen die Lampen an und begannen mit der Einrichtung unserer neuen Räume.

In eine Ecke des Schlafzimmers stellte Willi einen kleinen Tisch und darauf die Schreibmaschine. Die Prozedur blieb dieselbe wie zuvor. Wenn Willi abends von der Arbeit nach Hause kam, setzte er sich an die Schreibmaschine, um an dem gerade fälligen Manuskript weiter zu arbeiten.

Der erste Verlagsvertrag, der am 1.4.1964 an unsere neue Adresse geschickt wurde, war für den Band Nr. 153, der den Titel „Eine Handvoll Leben“ trug.

Es war der fünfzehnte Roman, den William Voltz seit seinem Einstieg 1962 für die PERRY RHODAN-Serie geschrieben hatte.

Bereits am 16.4.1964 kam der nächste Vertrag für den Band Nr.154 mit dem Titel „Der Gehetzte von Aralon“. Es sollten in diesem Jahr noch sieben weitere PERRY RHODAN-Romane folgen.

Kurt Bernhardt vom Moewig-Verlag und auch der für seine gnadenlose Kritik bekannte Günter M. Schelwokat waren von der Arbeit, die der junge Autor ablieferte, angetan. Im Juli 1963, nur einige Monate nach erscheinen seines ersten PERRY RHODAN-Romans, schrieb Bernhardt u.a. an Willi:

Herr Schelwokat ist mit Ihrem Schreiben bisher außerordentlich zufrieden; er schätzt die gepflegte Stilistik Ihrer Romane. Ich freue mich, daß wir in Ihnen einen guten und dauernden Mitarbeiter für die PERRY RHODAN-Serie gewonnen haben, und hoffe, daß sich unsere Zusammenarbeit auch auf anderen Gebieten entwickeln wird.

Die Zusammenarbeit entwickelte sich tatsächlich gut. Willis Romane kamen bei den Lesern und beim Verlag sehr gut an. Seine Phantasie war unerschöpflich und sein Arbeitseifer nicht zu bremsen.

Das Interesse an Veröffentlichungen außerhalb der PERRY RHODAN-Serie wuchs:

Am 25.Juli 1963 schickte Kurt Bernhardt den ersten Verlagsvertrag für eine Story-Sammlung, die innerhalb der TERRA-Normalbände erscheinen sollte.

Es folgten im Jahr 1964 für diese Reihe der Roman „Die tote Stadt“, der Storyband „Der Doppelgänger“, sowie die „Robot-Legende“.

Am 25.September 1964 unterschrieb William Voltz einen Autorisationsvertrag. Darin heißt es: Der Lizenznehmer erwirbt vom Lizenzgeber das Recht, von dem Werk PERRY RHODAN: William Voltz, „VERLOREN AUF TRINJR“, eine deutschsprachige Taschenbuchausgabe zu veranstalten. Im Impressum der Taschenbuchausgabe wird folgender Hinweis auf die Originalausgabe gebracht: Copyright © 1964 by William Voltz.

Es entzieht sich meiner Kenntnis und ist für mich nicht mehr nachvollziehbar, um welches Taschenbuch es sich dabei handelte.

Der erste Verlagsvertrag für ein von William Voltz geschriebenes PERRY RHODAN-Taschenbuch wurde am 2.2.1965 ausgestellt. Es hatte den Titel: „INVASION DER PUPPEN“ und erschien als TB Nr. 9.

Die Zusammenkünfte mit KHS fanden inzwischen fast regelmäßig statt. Karl Herbert und Heidrun Scheer kamen entweder nach Hainstadt, oder wir fuhren nach Friedrichsdorf. Die Treffen begannen gelegentlich mit einem gemütlichen Abendessen. Das Thema „PERRY RHODAN“ stand an erster Stelle, und es fand immer ein eifriger Meinungsaustausch über die Weiterführung der Serie statt.

An einem solchen Abend bei uns klopfte es an der Tür. Unsere Nachbarin stand im Nachthemd und mit einem Wecker in der Hand vor Willi und fragte ihn: „Herr Voltz, könnde Se mer mal sache wie spät's is? Ich muss mein Wecker stelle!“ Dabei reckte und streckte sich die kleine Person vor Willi, um zu sehen, wer bei uns zu Besuch war.

Es sollte nicht der einzige Auftritt dieser Art bleiben.

Nachdem wir uns eingerichtet und eingelebt hatten, nahmen wir Kontakt zum evangelischen Pfarrer auf. Schließlich waren wir in den Augen meiner christlichen Großmutter noch nicht „richtig“ verheiratet. Einer katholischen Trauung hätte sie noch lieber zugestimmt, aber dazu konnte ich Willi nicht überreden.

Der Pfarrer kam zu uns nach Hause und wir besprachen alles Notwendige.

Bevor wir den Termin wahrnehmen konnten, kam ich im Juni 1964 wieder ins Krankenhaus. Diesmal für sechs Wochen. Wir verschoben die Trauung auf September. Auch daraus wurde nichts, weil ich ein weiteres Mal ins Krankenhaus musste.

Danach gaben wir auf. „Es soll wohl nicht sein“, meinten wir beide und blieben somit nur standesamtlich getraut und ohne den Segen der Kirche.

Das erste Jahr unserer Ehe hatten wir uns etwas anders vorgestellt. Aufgrund meiner gesundheitlichen Probleme mussten wir die für den Sommer geplante Hochzeitsreise auf das nächste Jahr verschieben. Wir waren trotzdem glücklich und zufrieden.

Teil 6

Im August des Jahres 1964 erreichte Willi die traurige Nachricht, dass Heinz Bingenheimer verstorben sei. Der Tod seines Freundes und Förderers traf ihn sehr. Er war traurig und bedrückt als er mich im Krankenhaus besuchte und davon berichtete.

Willis Eltern sahen wir nur selten. Beide waren berufstätig und die Wochenenden verbrachten sie auf einem Campingplatz in Kirchzell im Odenwald. Dort hatten sie ein romantisches Fleckchen gepachtet, das ihr zweites Zuhause wurde. Bei schönem Wetter machten wir gelegentlich einen Ausflug dorthin. Auch die Voltz'sche Dackelhündin „Hexe“, die, als wir noch in der Bleichstraße wohnten, gerne mit uns spazieren ging, freute sich über unseren Besuch. Sie durfte mit uns in den nahen Wald, wo sie sich austoben konnte. Wir genossen die gute Luft und die romantische Umgebung.

Nach dem Spaziergang servierte Hanne Voltz immer ein gutes Abendessen.

Bei einem dieser Besuche fragte Hanne, ob wir sie mit zurück nehmen würden. Sie musste am nächsten Morgen arbeiten, während Vater Voltz noch Urlaub hatte.

„Kein Problem!“, sagte Willi. Wie sich herausstellte, gab es doch eine kleine Schwierigkeit. Willi fuhr immer noch sein altes Opel Cabriolet. Das zurückklappbare Dach wurde vorne durch eine Holzstange stabilisiert – und diese war gebrochen. Seit Wochen musste ich das Dach während der Fahrt festhalten, damit der Schnapp Verschluss nicht aufging. Willi machte Hanne darauf aufmerksam. Sie legte jedoch Wert darauf, vorne zu sitzen. „Ich kann das schon!“, meinte sie. Somit klammerte sich diese kleine Frau für eineinhalb Stunden an der Holzstange fest. Sie tat mir leid – hinten hätte sie bequemer sitzen können.

Da der geliebte Opel noch weitere Krankheiten bekam, mussten wir uns entschließen, ein anderes Auto zu kaufen. Willi entschied sich für einen gebrauchten 1500er Karmann Ghia. Ein schönes Auto; wie sich aber bald herausstellte, war dieser Wagen sehr reparaturbedürftig. Schon nach kurzer Zeit musste er in die Werkstatt, und wir waren gezwungen, mit der Bahn von Hainstadt nach Offenbach zu fahren, was mit einigen Umständen verbunden war. Wir mussten um fünf Uhr dreißig aus dem Haus, damit Willi pünktlich um sieben Uhr an seinem Arbeitsplatz ankam. Ich fuhr immer mit ihm, obwohl meine Arbeitszeit erst um acht Uhr begann. Abends musste Willi dann eine Stunde auf mich warten. Als wir mit dem Zug nach Offenbach fuhren, kamen wir an einem Schrottplatz vorbei.

„Sieh' mal, was da oben steht!“, sagte Willi zu mir. Er deutete auf einen riesigen Schrottberg. Unser alter Opel stand ganz oben – als Krönung. Uns kamen fast die Tränen.

Im November 1964 fand im Moewig-Verlag in München eine Autoren-Konferenz statt. Ich durfte Willi auf dieser Reise begleiten. Wir trafen uns mit Scheers, die inzwischen mit Töchterchen Corinna eine kleine Familie gegründet hatten, auf einem Autobahn-Rastplatz. Nach einer kurzen Begrüßung – es war noch dunkel und die Autobahn fast leer – fuhren wir in Richtung Süden. Unser Ziel war Irschenberg. Der Ort liegt ca. 50 Kilometer südlich von München und war Walter Ernstings Zuhause.

Wir kamen bei strahlendem Sonnenschein mittags in Irschenberg an.

Es war meine erste Begegnung mit dem PERRY RHODAN-Autor Clark Darlton.

Man fühlte sich sofort wohl im Hause Ernsting. Walter und Uschi (Walters damalige Frau) waren mit den Vorbereitungen für ein spätes Mittagessen beschäftigt und Sohn Robert, damals zehn Monate alt, hüpfte in einer Schaukel zwischen den Türpfosten herum.

Walter Ernsting hatte für uns Zimmer in einer Pension bestellt. Während des Essens besprachen die Männer die Pläne für den nächsten Tag.

„Wir fahren morgens mit Herberts Auto zur Besprechung nach München und Uschi kommt mit euren Frauen später nach!“, meinte Walter. Niemand sah darin ein Problem.

Im Laufe des Nachmittags begann es zu schneien. Die Farbe des Himmels ließ nichts Gutes ahnen.

„Wie kommen wir bei diesem Wetter nach München?“ war K.H. Scheers Frage.

„Du hast doch Winterreifen“, beruhigte ihn W. Ernsting, „und die Autobahn ist sowieso frei!“

Daraufhin machte man sich nur noch Gedanken darüber, wie die Frauen später den Weg nach München bewältigen können, denn für den Abend waren die Autoren mit Damen vom Verlagschef, Herrn Wilhelm Heyne, zum Essen eingeladen worden.

„Deine Frau hat doch erst seit kurzer Zeit den Führerschein!“, meinte KHS besorgt.

„Sie kann aber fahren, und außerdem haben wir auch Winterreifen“, war Walters Antwort.

Somit war alles geklärt.

Wir fuhren in die Pension, wo wir uns am Abend wieder mit Ernstings trafen. Wir saßen im Wohnzimmer der Wirtsleute, Familie Gschwendner, die mit Walter und Uschi befreundet waren. Es war ein ausgesprochen fröhlicher und rundum gelungener Abend.

Dazu trugen auch der Rauhaardackel und die Perserkatze der Hausleute bei. Niemals zuvor, und auch nie mehr danach, sah ich eine Katze, die sich von einem Hund im Nacken packen und hin und her schleudern ließ, um dann auf dem glatten Parkett durch den Flur zu rutschen. Es muss der Katze Spaß gemacht haben, denn sie kam immer wieder und hielt dem Dackel den Nacken hin.

Am nächsten Morgen fuhren die drei PERRY RHODAN-Autoren zur Besprechung nach München. Heidrun Scheer, Uschi Ernsting und ich folgten am frühen Abend. Die Fahrt verlief ohne größeres Problem. Uschi brachte uns sicher nach München.

Wir trafen uns in der Münchener Innenstadt in einem vornehmen Restaurant.

Außer den Autoren, zu denen sich noch Kurt Brand gesellte, waren Günter M. Schelwokat, Kurt Bernhardt, sowie Herr Wilhelm Heyne und der Juniorchef Rolf Heyne, anwesend – fast alle mit Frauen. Der Autor Kurt Mahr nahm für mehrere Jahre an keinem Treffen teil, weil er im Dezember 1962 nach Amerika ausgewandert war.

Zu Beginn war die Atmosphäre etwas steif. Walter Ernsting, der zu meiner Rechten saß, trug mit seiner ungezwungenen Art sehr dazu bei, dass wir doch noch einen gemütlichen Abend bei gutem Essen und stimmungsvoller Zigeunermusik verbrachten. Etwas in Bedrängnis brachten mich die ungarischen Musiker, als einer von ihnen unbedingt von mir wissen wollte, was sie für mich spielen sollen. In meiner Verzweiflung fragte ich Walter, ob er eine Ahnung hätte, welchen Titel diese Stehgeiger uns vortragen könnten. „Ich hab' mit dieser Musik nix am Hut!“, meinte er nur. Wilhelm Heyne befreite uns aus dieser Lage, indem er einem der Musiker zwanzig Mark in die Hand drückte. „Hören Sie doch bitte mal eine Weile auf mit Ihrer Musik!“ bat er ihn. Die Musiker gingen ein paar Tische weiter und setzten ihre Musik fort.

Zu später Stunde machten wir uns auf den Rückweg. Willi und ich fuhren in Scheers Auto mit. Uns voran fuhren Walter und Uschi Ernsting.

Es hatte inzwischen kräftig weiter geschneit. Auch auf der Autobahn waren nur jeweils zwei schmale Spuren, in die Walter und Karl Herbert ihre Autos lenkten und langsam in Richtung Irschenberg fuhren. Alle waren froh, als wir endlich die Abfahrt erreichten.

Walter bog nach rechts zu seinem Haus ab, wir fuhren nach links in Richtung Pension, von der wir schon die Lichter sahen. KHS war sichtlich erleichtert und rief erfreut:

„Gott sei Dank – wir haben's geschafft!“ Im selben Moment tat es einen Schlag, und wir saßen in einer Schneewehe fest. Alle Versuche, sich daraus zu befreien, schlugen fehl.

Nachdem uns die Aussichtslosigkeit unserer Situation bewusst wurde, meinte Heidrun Scheer: „Ich gehe zu Walter. Vielleicht kann er uns helfen!“ Sie stieg aus dem Auto und wollte sich auf den Weg machen. KHS saß immer noch wie versteinert hinter seinem Lenkrad. Willi stieg aus und bat Heidrun, sich wieder ins Auto zu setzen. „Ich gehe!“, sagte er. Es sah gespenstisch aus, als sich die dunkle Gestalt mühsam durch den Schnee bewegte.

Nach einigen Minuten kam Willi zurück – alleine. „Walter meinte, heute Nacht könne man nichts mehr tun. Wir sollen das Auto stehen lassen und zu Fuß die paar Meter zur Pension gehen. Morgen früh kommt der Schneeräumer – der würde Platz schaffen!“

Da niemand eine bessere Lösung hatte, befolgten wir Walters Rat. Willi half mir aus dem Wagen. Der Schnee war etwa kniehoch. Als ich mit beiden Füßen im Schnee stand und meinen linken Fuß hob, um weiterzugehen, musste ich feststellen, dass mein Schuh im Schnee stecken geblieben war. „Willi, mein Schuh ist weg!“, rief ich entsetzt.

„Den können wir jetzt nicht suchen!“, meinte Willi, hob mich hoch und trug mich zur Pension. Um mich vor dem kalten Wind zu schützen, legte er seine Hand vor mein Gesicht. Ich bekam leichte Panik, weil ich kaum noch atmen konnte. Wir waren alle sehr erleichtert, als wir endlich die Pension erreicht hatten.

Heidrun Scheer sah mich entsetzt an. Abgesehen davon, dass ich nur noch einen Schuh anhatte (Scheers hatten das Malheur nicht mitbekommen), war mein Gesicht merkwürdig verfärbt. „Ist Ihnen nicht gut?“ fragte Frau Scheer. Ich erzählte ihr, dass mir fast die Luft weggeblieben sei, als mein Mann versuchte, mich vor der Kälte zu schützen. KHS erzählte sofort etwas von „Schock“.

„Leg' sie auf die Couch – Füße erhöht!“ riet er. Nachdem ich glaubhaft versicherte, dass es mir gut gehe, fanden wir die Ursache meiner ungewöhnlichen Gesichtsfarbe. Bei dem aussichtslosen Versuch, K.H. Scheers Auto – plus drei Insassen – aus dem Schnee zu schieben, wurden Willis Handschuhe nass und schmutzig. Einen davon drückte er mir ins Gesicht… Wir lachten über das Missgeschick und waren froh, in Sicherheit zu sein.

Es war die Nacht, in der Heidrun Scheer Willi und mir das Du angeboten hat. KHS war von da an auch für mich der „Herbert“.

Am nächsten Morgen machten sich Herbert und Willi, begleitet von Herrn Gschwendner, auf den Weg zu Herberts Auto. Der Schneeräumer war bereits da. Er stand nur wenige Zentimeter vom Scheerschen Ford entfernt. Der Schnee war inzwischen so hoch, dass der Fahrer des Schneeräumers nur noch an der Spitze der Antenne erkennen konnte, dass da ein Auto im Weg steht. Es wurde freigeschaufelt. Für unseren Karmannn Ghia mussten wir Winterreifen kaufen, sonst hätten wir den Weg nach Hause vorläufig nicht antreten können.

Als nach der Schneeschmelze mein Schuh gefunden wurde, rief mich Walter an, um zu fragen, ob ich den Schuh geschickt haben möchte, oder ob ich darauf verzichten würde. Ich bedankte mich und verzichtete.


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