William Voltz

Biografie

Teil 36

Als wir von unserer kurzen Reise in den Bayerischen Wald wieder nach Heusenstamm zurückkamen, wunderten sich unsere Nachbarn, dass wir schon wieder ein neues Auto hatten. Als wir ihnen unsere Geschichte erzählten, waren sie fassungslos. „Was es alles gibt!“, war ihre Reaktion und alle waren froh, dass uns nichts passiert war.

Willis erster Weg nach unserer Ankunft führte ihn ans Telefon, um Günter Schelwokat zu berichten, dass wir gut zu Hause angekommen waren. Es wurde auch gleich wieder über die Arbeit gesprochen. Willi war mit der Bearbeitung des 2.Silberbandes beschäftigt, der im März 1979 erscheinen sollte. Band Nr.3 war für Mai und Nummer 4 für September geplant. Die jeweilige Einleitung und das Vorwort mussten nach der Bearbeitung ebenfalls noch geschrieben werden. Außerdem war es wichtig, dass für die neue Buchausgabe geworben wird.

Unsere Kinder konnten noch ein paar freie Tage genießen, dann lautete der morgendliche Weckruf für sie wieder: Aufstehen – Schule gehen! Stephen kam in die 5. Klasse. Das hieß bei unserem damaligen Schulsystem „Förderstufe“. Im Laufe der Zeit hatten wir den Eindruck, dass diese Schulreform wenig mit Förderung zu tun hatte. Der Leistungsdruck war enorm und es wurde radikal „gesiebt“. Die Tatsache, dass ich von einigen Müttern auf dieses Problem angesprochen worden war, beruhigte mich etwas. Ich befürchtete schon, dass nur mein Sohn ein Kind sei, das plötzlich Schwierigkeiten in der Schule hatte. Bei Willis Arbeitspensum blieb ihm keine Zeit, sich um Hausaufgaben und häufiger werdende Schulprobleme unserer Kinder intensiv zu kümmern – dafür war ich zuständig. Die Freizeit wurde für sportliche Aktivitäten genutzt, was für Vater und Söhne wichtig war und für die Mutter mehr Arbeit, aber auch viel Freude bedeutete. Beim Lernen wurden unsere Kinder bald von Marion, unserem Babysitter, unterstützt. Sie war eine gute Schülerin und wesentlich besser mit der aktuellen Situation vertraut als wir.

Wie man dem Schreiben von Hans Gamber aus der Redaktion in München entnehmen kann, gab es immer wieder neue Ideen, wie man William Voltz mit Arbeit versehen konnte. Wobei Treffen mit Fans zu seinen bevorzugten Arbeitsgebieten gehörte.

Belohnt wurde Willis Arbeit wieder mit einer Prämie, die im Oktober an die Autoren Voltz und Mahn ausgezahlt wurde.

Es ärgerte den PERRY RHODAN-Autor Voltz besonders, wenn Menschen, die eigentlich keine Ahnung von der Serie hatten, glaubten, sie in ein schlechtes Licht rücken zu müssen. Das passierte gelegentlich, und wann immer Willi es für wichtig genug empfand, reagierte er darauf. So wie auf den Artikel im STERN.

Das Jahr 1978, das nun bald zu Ende ging, war ein schönes, zufriedenstellendes Jahr. Es ging uns gut, wir waren gesund, Willi bereitete die Arbeit Freude und wir hatten uns – das Leben war schön.

Den Heiligen Abend verbrachten wir, wie immer, mit unseren Kindern. Nach der Bescherung und dem Abendessen spielten wir Monopoly. Es hatte angefangen zu schneien. Genau zum richtigen Zeitpunkt, dachte ich. Als der weiße Belag innerhalb kürzester Zeit eine beachtliche Höhe erreicht hatte, entschieden wir, einen Spaziergang zu machen. Wir packten uns in warme Jacken. Mützen, Schals und Handschuhe durften bei diesem Wetter nicht fehlen. Willi nahm eine große Taschenlampe mit. Der Wind blies die dicken Schneeflocken in unsere Gesichter, was uns nicht störte. Der Wald war nur ein paar Meter entfernt und so schön wie selten. Als wir wieder zu Hause angekommen waren, waren wir durchnässt und glücklich. Es hatte Spaß gemacht.

Den Jahreswechsel feierten wir bei Freunden. Auf dem Heimweg kamen wir an unserem Fußballer-Vereinsheim vorbei. Wir wussten, dass dort jedes Jahr ausgiebig ins Neue Jahr hinein gefeiert wurde. Willis Frage kam für mich nicht überraschend: „Meinst du, wir sollten noch mal reingehen?“ Klar sollten wir. Es war ein schöner Abschluss für das Jahr 1978.

Das Jahr 1979 begann, wie das alte geendet hatte – mit PERRY RHODAN und ATLAN, Exposés, Romane schreiben, Con-Veranstaltungen, Signierstunden in Kaufhäusern, Telefonate mit dem Verlag und den Autoren wurden geführt, die Leserkontaktseite musste bearbeitet werden und so weiter. Auch die Anfragen von Schulen häuften sich. „Könnten sie evtl. unserer Deutschklasse einen Besuch abstatten? Wir nehmen in der 9.Klasse auch das Thema PERRY RHODAN durch und wir hörten, dass sie einer der Autoren sind und ganz in unserer Nähe wohnen.“ Willi besuchte einige Schulen in der Umgebung. Er war etwas überrascht von dem Wandel, der an manchen Schulen stattgefunden hatte. „Stell dir vor“, erzählte er mir, „den Schülern ist es erlaubt zu essen und zu trinken während des Unterrichts. Einige der Mädchen kämmten sich die Haare und schminkten sich.“ Sie demonstrierten damit vermutlich ihr Desinteresse an Science-Fiction und an PERRY RHODAN. Es hatte sich seit unserer Schulzeit doch einiges verändert. „Manche Schüler legten sogar die Füße auf den Tisch!“ Willi hatte aber auch Gelegenheit festzustellen, dass es noch Schulen gab, an denen gutes Benehmen Voraussetzung war. Das herausragende Erlebnis hierzu war der Besuch in einer Eliteschule in Bremen. Wobei – und darin waren wir uns einig – gutes Benehmen nicht nur eine Frage des Bankkontos der Eltern ist und sein sollte.

Für das lange Wochenende an Pfingsten war eine Reise der „Alt-Herren Fußballmannschaft ins Elsass geplant. Ich konnte meinen Mann begleiten, da wir liebe Freunde hatten, die unsere Söhne für ein paar Tage aufnahmen und gut versorgten. Fast alle Fußballer brachten ihre Frauen mit, sodass der Bus mit etwa fünfzig Personen bis auf den letzten Platz besetzt war. Als wir in Straßburg ankamen, hielt der Bus an einem verabredeten Platz an, um unseren Reiseführer für die Tage im Elsass aufzunehmen. Der Mann stellte sich vor, erklärte, dass er uns in einen Ort in der Nähe von Straßburg begleiten würde, wo wir unsere Unterkünfte beziehen konnten. Ohne große Pause begann er mit der Schilderung seiner Erlebnisse während des 2.Weltkriegs. Er ließ uns deutlich spüren, was er von den Deutschen hielt. Die Stimmung sackte auf den Nullpunkt und nur mit Mühe konnten ein paar Fußballer beruhigt und davon abgehalten werden, allzu heftig auf die Schilderungen des Mannes zu reagieren. Unsere Vergangenheit war uns bekannt, aber musste sie jetzt in Erinnerung gerufen werden? Einige fragten nach einem anderen Reiseleiter, worauf Willi meinte: „Das bringt doch nichts. Wo soll jetzt noch ein anderer Reiseleiter hergeholt werden? Und wenn wir einen finden würden, wissen wir nicht, welche Erinnerungen er an die Kriegszeiten hat. Also, vergesst´s ganz einfach und konzentriert euch auf das, was wir in den nächsten Tagen hier tun wollen – Fußball spielen und eine gute Zeit haben!“

Man hörte noch ein kurzes Gemurmel, alle setzten sich wieder hin und wir konnten die Fahrt fortsetzen. Sie führte uns in einen Ort, der etwa eine halbe Stunde von Straßburg entfernt lag. Wir wurden auf zwei Pensionen verteilt und nach dem Auspacken trafen wir uns zum gemütlichen Abendessen. Für den nächsten Tag war ein Trip nach Colmar geplant. Eine hübsche Stadt südlich von Straßburg. Willi machte mir den Vorschlag, dass wir uns von der Truppe trennen und eigene Wege gehen. Einer führte uns zum Mittagessen in ein Lokal. Es war einfach eingerichtet, machte einen sauberen Eindruck und war vergleichbar mit einer deutschen Wirtschaft. Der Raum war etwa zur Hälfte besetzt und da niemand auf uns zukam, setzten wir uns an einen der freien Tische. Nach zehn Minuten saßen wir immer noch unbeachtet von der Bedienung, die schon mehrfach an unserem Tisch vorbeigegangen war, an unserem Platz. Inzwischen hatten sich zwei Personen an den Tisch neben uns gesetzt. Sie wurden freundlich begrüßt und nach ihren Wünschen gefragt. Uns beachtete man weiterhin nicht. „Merkst du was?“, fragte Willi. „Ja, ich glaube die mögen auch keine Deutschen!“, antwortete ich. Offensichtlich erkannte man in uns den deutschen Touristen. Wir gingen, ohne dass uns von der Bedienung oder dem Wirt hinter der Theke Beachtung geschenkt wurde. Wir gaben nicht auf und gingen ins Zentrum von Colmar. Dort fanden wir ein hübsches, neues Restaurant. Wir wurden sehr freundlich bedient und aßen zum ersten Mal „Quiche Lorraine“, die seither zu meinen Lieblingsgerichten gehört. Zufrieden und wesentlich glücklicher begaben wir uns zum Bus, der uns an unseren Wohnort zurückbrachte, wo am nächsten Tag das erste Fußballspiel stattfinden sollte. Für den Abend war ein gemeinsames Essen geplant. In einem Saal war für alle Spieler und Gäste gedeckt. Die Elsässer Gastgeber hatten sich bemüht, den Abend gut und freundlich zu gestalten. Leider kam es zwischen einem Spieler der Rosenhöhe-Mannschaft und ein paar jungen Franzosen zu einem Streit, der darin endete, dass unser Vereinsmitglied einen Hieb auf die Nase bekam. Da er als unbeherrscht und raufsüchtig bekannt war, dachten einige seiner Kameraden, dass er es vielleicht mal verdient habe. Lieber hätten wir natürlich einen schöneren Abschluss des Abends gesehen.

Nach einem weiteren Spiel am nächsten Tag und einem Ausflug in die Vogesen begaben wir uns wieder auf den Heimweg. Von unserem Reiseleiter hatten wir uns freundlich verabschiedet und für seine Unterstützung bei unseren Ausflügen bedankt.

Zu Hause angekommen, musste sich Willi mit einem Thema beschäftigen, das immer mehr zu einem ersthaften Problem geworden war – die Terminschwierigkeiten von Karl-Herbert Scheer.

Die Verantwortung für die pünktliche Ablieferung der Datenblätter hatte Herr Bernhardt an Willi übergeben. „Voltz, Sie haben dafür zu sorgen, dass der Scheer pünktlich liefert!“ Wie er sich das vorgestellt hatte, war schwer nachzuvollziehen und es war auch nicht zu praktizieren. Es war aber auch nicht nur das Problem der späten Ablieferung, das für Unmut sorgte; die Autoren beschwerten sich, dass Exposés und Daten nicht mehr übereinstimmten. Man hatte den Eindruck, dass trotz regelmäßiger Besprechungen, persönlich und telefonisch, aneinander vorbeigearbeitet wurde. Ich erinnere mich an einen Anruf von Hans Kneifel, der verzweifelt war und Willi fragte, was er denn mit dem ganzen Datensch… machen solle. „Schmeiß ihn in den Papierkorb!“ war die Antwort. Ab Juli 1979 wurde auf die Datenanhänge verzichtet.

Für unseren Sommerurlaub hatten wir überlegt, wieder einmal in den Norden zu fahren. Diesmal vielleicht an die Ostsee. In der FAZ gab es viele Anzeigen für Ferienhäuser in Dänemark. Es war unser Wunsch, dass die Anfahrt zu unserem Urlaubsziel nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen sollte. Ich fand eine Adresse in der Nähe von Nordborg, direkt an der Ostsee. Es klang vielversprechend und wir buchten das Haus für vier Wochen. Wir bekamen einen freundlichen Brief der Hausbesitzerin mit genauen Angaben über die Kosten und wo wir bei unserer Ankunft den Schlüssel abholen können. Ende Juli sollte es losgehen. Bis dahin hatte Willi noch einiges an Arbeit zu erledigen. Die Autoren waren mit Exposés zu versorgen, die nächste Buchbearbeitung musste abgeschlossen sein, wie alles andere, das in Willis Arbeitsbereich gehörte. Die Reiseschreibmaschine und jede Menge Papier waren wieder ein Teil unseres Gepäcks, ebenso alle Unterlagen, die für die Fertigung eines Manuskripts nötig waren. Vor einiger Zeit hatte sich Willi eine kleine Hi-Fi Stereoanlage mit Kassettenspieler gekauft. Die Anlage stand in seinem Arbeitszimmer und er hörte während der Arbeit seine geliebte Countrymusik. Alle Schallplatten, die Willi gekauft hatte, waren von ihm auf Kassetten aufgenommen worden. Da das Gerät in einem Koffer untergebracht ist, war es ideal für Reisen. Wenn alles verstaut war wurde der Deckel oben aufgelegt und mit zwei Schnappschlössern sicher verschlossen. Diese Anlage funktioniert heute noch. Da wir auch das große Schlauchboot und den Motor mitnehmen wollten, blieb Willi nichts anderes übrig, als einen sogenannten Gepäckboy zu kaufen, der auf dem Autodach befestigt wurde. Darauf kamen die Koffer, die mit einer Plane abgedeckt und verschnürt werden mussten. Begeistert war ich von diesem Arrangement nicht, aber es blieb uns keine andere Möglichkeit. Mir fiel unser Nachbar ein, dessen Surfboard auf einer starkbefahrenen Autobahn vom Dach geflogen war, weil es nicht richtig befestigt war. Zum Glück war niemandem etwas passiert. „Du musst nicht immer gleich ans Schlimmste denken – ich mache das schon richtig!“, beruhigte mich mein Mann.

Der Tag der Abreise kam. Das Auto war gepackt und alles im Kofferraum und auf dem Dach verstaut. Wie vor jeder Abreise saßen Willi und die Söhne bereits im Auto, während ich noch durchs Haus rannte, um nachzusehen ob alles in Ordnung war. Wieder hatten meine Männer vergessen die Schubladen zuzuschieben und die Schranktüren standen auch offen. Es war wie ein Ritual vor jeder Abreise. Ich wusste genau, dass Willi bereits nervös das Lenkrad mit den Fingern bearbeitete; ich ging trotzdem noch einmal ganz schnell ins Bad, um danach abzuschließen und urlaubsreif zum Auto zu rennen. „Da bist du ja endlich! Warum dauert das bei dir immer so lange bis du mal fertig bist?“ „Würdet ihr eure Sachen aufräumen und nicht alles mir überlassen, wäre ich auch früher fertig!“ Es war jedes Mal das gleiche. Willi startete den Motor und wir starteten unseren Urlaub.

Die Fahrt verlief wunschgemäß ohne Probleme. Nur als entgegenkommende Autofahrer immer wieder aufblinkten, bat ich Willi, doch mal nach seiner Plane zu sehen, die er auf dem Gepäck befestigt hatte. Er fuhr auf einen Parkplatz und sah nach. „Alles in Ordnung. Ich hab´s nur ein bisschen fester gezogen. So müsste es gehen!“

Die Fahrt führte uns am Hamburger Hafen vorbei, durch den Elbtunnel und weiter in Richtung Norden. Am späten Nachmittag kamen wir in Nordborg an und fanden leicht die Adresse, an der wir den Schlüssel abholen sollten. Danach waren es noch drei Kilometer bis zu unserem Ferienhaus an der Ostsee. Wir waren begeistert. Das Holzhaus stand auf einem 1000qm großen Grundstück, direkt am Meer. Das Haus war nett eingerichtet. Wohnzimmer mit Küche, zwei Schlafzimmer und ein Bad. Die Schlafzimmer waren klein und die Betten kurz. Willis Füße hingen aus dem Bett, was ihn aber nicht störte.

Nach einer ersten Inspektion unserer Unterkunft brachten wir die Koffer ins Haus. Unsere Kinder griffen sofort zu dem Fußball, der im Kofferraum lag. Sie mussten sich nach stundenlangem Stillsitzen bewegen. Meine Sorge galt der Glasscheibe, die als Windschutz in Richtung Meer an der Terrasse angebracht war. „Schießt den Ball bitte nicht in die Scheibe“, bat ich die beiden. „Muttiii“ – das i wurde immer besonders langgezogen, wenn sich die Söhne zu sehr kontrolliert fühlten – „keine Sorge, wir passen schon auf“, kam die Antwort. Willi packte seine kleine Musikanlage aus und ich war mit den Badutensilien beschäftigt, als der befürchtete Schlag zu hören war. Jetzt ist es doch passiert, dachte ich. Eindeutig war jede Menge Glas zu Bruch gegangen. Ich eilte nach draußen und sah Willi mit Stephen im Arm auf dem Holzboden der Terrasse sitzen. „Wir müssen zum Arzt“, sagte Willi, „Stephen ist durch die Scheibe gelaufen!“. Von der untergehenden Sonne geblendet, sah Stephen die Scheibe nicht, nur den Ball, der vor ihm auf dem Rasen lag. Willi verband die stark blutenden Wunden notdürftig und wir fuhren mit unseren blassen und geschockten Buben zu einem kleinen Laden in der Nähe. Dort, so hofften wir, wird man uns bestimmt sagen können, wo ein Arzt zu finden ist.

Der Ladenbesitzer erklärte mir, dass übers Wochenende kein Arzt in Nordborg anzutreffen ist. Erst am Montag wieder. Sie müssen nach Soenderborg ins Krankenhaus fahren. Auf meine Frage, wie wir dort hinkommen, gab er freundlich Auskunft und sagte, dass wir etwa 30 Kilometer fahren müssen. Da in Dänemark vergleichsweise langsam gefahren werden muss, erschien uns die Fahrt endlos. Wir waren froh, als wir endlich das Krankenhaus gefunden hatten. Nachdem wir uns angemeldet und ein Formular ausgefüllt hatten, holte uns eine Krankenschwester und begleitete uns nach oben zum Operationssaal. Als mir die Schwester sagte, dass ich mit in den OP gehen darf, war ich erstaunt und erleichtert. Ich erinnerte mich daran, dass ich im Offenbacher Stadtkrankenhaus auf dem Gang warten musste, als Ralph eine Platzwunde am Kopf genäht bekam. Stephen wurde auf einen OP-Tisch gelegt und ein junger Arzt kam, um sich die Wunden anzusehen. „Das muss genäht werden“, bestätigte er und bat die Assistentin, alles vorzubereiten. Die Stimmung war erstaunlich locker, fast fröhlich. Das gefiel mir, weil es uns beruhigte. Ich weiß nicht, wer von uns beiden aufgeregter war, während der Arzt die Schnittwunden versorgte. Am Fuß klaffte der große Zeh auseinander, am Bein war eine tiefe Wunde und auch am Arm musste genäht werden. „In zehn Tagen werden die Fäden gezogen“, sagte der Arzt, „bis dahin nicht ins Wasser gehen und Vorsicht beim Fußballspielen!“, lauteten seine Ratschläge.

Am nächsten Morgen fuhren wir zu unserer Vermieterin und berichteten ihr von dem Unglück. Sie war froh, dass Stephen nicht mehr passiert war. Sie selbst hatte drei Söhne und war mit Problemen dieser Art vertraut. Die Scheibe kann man ersetzen, sagte sie und bestellte auch gleich einen Glaser. Sie erzählte uns außerdem, dass sie sich von ihrem Mann getrennt hatte und dass wir ihn nicht ins Ferienhaus lassen sollen – er habe dort nichts zu suchen. Dann lud sie uns für die kommende Woche zum Essen ein. Es wurde ein ausgesprochen angenehmer Abend. Aase, wie unsere Vermieterin mit Vornamen hieß, sprach kaum Deutsch, aber gut Englisch - und sie kochte gut. Sie fühlte sich offensichtlich in dem großen Haus etwas einsam und freute sich über die Abwechslung.

Obwohl der Beginn dieses Urlaubs nicht perfekt war, hatten wir noch vier schöne Wochen. Willi machte mit den Söhnen Ausflüge im Boot, es wurde trotz der Schnittwunden Fußball gespielt, und vieles mehr. Auch einen Ausflug ins Lego-Land machten wir. Abends gingen wir oft zum Essen aus, denn auch Mutti sollte ihren Urlaub haben. Das Angebot an guten Lokalen war reichhaltig. Besonders gerne gingen wir in ein Restaurant, das zu einem Hotel gehörte. Willi liebte das dänische Bier, auch wenn der Schaum noch im Glas stand, wenn das Bier bereits getrunken war. „Schaumstabilisator“, sagte Willi, „aber es schmeckt!“

Unsere Söhne bestellten auffallend oft Gerichte, die flambiert werden mussten. Unser Kellner war ein immer ordentlich gekleideter, freundlicher Mann mittleren Alters mit einer überaus großen Nase. Wenn er an unseren Tisch kam, um die Gerichte zu flambieren, wurde er von unseren Kindern aufmerksam beobachtet. Ich ahnte schon, woher das plötzliche Interesse an Flambiertem kam. Darauf angesprochen gaben sie zu, dass sie darauf warten, dass er sich die Nase verbrennt. „Den Gefallen wird er euch nicht tun, er ist gut und geschickt, bei dem was er tut“, sagte ich. Willi meinte: „Ihr seid unmöglich, wo habt ihr das nur her?“

Auch die Arbeit wurde nicht vergessen. Willi stellte sich morgens einen kleinen Tisch und einen Stuhl vor den Eingang, packte die Schreibmaschine aus und begann zu arbeiten – im Grünen und umgeben von Blumen. Es war wie eine kleine Oase.

Gut erholt und, besonders für Stephen, mit bleibenden Erinnerungen fuhren wir wieder nach Hause. Als wir die Schlüssel abgaben, meldeten wir uns gleich fürs nächste Jahr an.

Teil 37

Bereits vor unserem Urlaub hatte ich damit begonnen, nach einem anderen Haus zu sehen. Willi hatte sich dazu entschlossen, ein Haus zu kaufen. “Ich muss Schulden machen, sonst frisst mich die Steuer noch auf”, war seine Erklärung für diese Entscheidung.

Die Wochenendausgaben unserer Zeitungen, OFFENBACH-POST und die FAZ, waren gefüllt mit Immobilien-Anzeigen. Willi verließ sich bei der Suche nach einem neuen Haus auf mich. “Ich habe keine Zeit dafür, mir stundenlang Häuser anzusehen. Du wirst das schon richtig machen!” Wir wollten uns nicht unbedingt vergrößern. Was wir hatten, gefiel uns und war für unsere Bedürfnisse groß genug. Unsere Überlegung war, dass unsere Söhne vielleicht nicht länger als weitere zehn bis fünfzehn Jahre zu Hause wohnen würden. Warum sollten wir uns ein großes Haus kaufen, mit dem wir später nur viel Arbeit hatten. Ich lernte einige Makler kennen und fand schnell heraus, dass alle ihre Tricks hatten, um ein Haus möglichst schnell und gut zu verkaufen. Aber auch wir hatten unsere Vorstellungen. Nachdem ich mir nicht nur in Heusenstamm, sondern auch in umliegenden Ortschaften Häuser angesehen hatte, kam ich zu der Überzeugung, dass es an unserem Reihenhäuschen nicht viel auszusetzen gab. Überall gab es Vor- und Nachteile. Ein Anlass, in der Gegend zu bleiben, waren auch unsere Söhne. Die Schule war nah, sie hatten ihre Freunde und den geliebten Wald, in dem sie sich austoben konnten. Auch für uns hatten sich inzwischen gute Kontakte zu unseren Nachbarn entwickelt. In der Zeit unserer Suche gab es in unserer Nachbarschaft zwei Häuser, die zum Verkauf standen. Das erste, das ich mir ansah, kam nach der Besichtigung für mich nicht in Frage. Es war, um es gemäßigt auszudrücken, sehr ungepflegt und bedurfte einer totalen Restaurierung. Das nächste Haus hätte ich gerne genommen; es wurde dann jedoch von den derzeitigen Mietern gekauft. Per Zufall hörte ich, dass auch das Haus Nummer 25 in unserer Straße zum Verkauf steht. Ich kannte den Nachbarn und machte einen Termin mit ihm aus. Es war zwar ein gepflegtes Haus, es gab jedoch einiges, was nicht meinen Vorstellungen entsprochen hatte. “Das können wir im Laufe der Zeit alles ändern”, war Willis Reaktion auf meine Bedenken. Nachdem uns der Verkäufer finanziell noch etwas entgegen gekommen war, trafen wir uns beim Notar zur Protokollierung. Danach waren wir Hausbesitzer.

Der Umzug sollte im November 1979 stattfinden. Wir hatten bereits Nachmieter gefunden, die so schnell wie möglich einziehen wollten. Der Umzug verzögerte sich für alle Beteiligten, weil der Bungalow, in den die ehemaligen Besitzer unseres neuen Hauses einziehen wollten, noch nicht frei war. Dieses Haus befindet sich ebenfalls im selben Wohngebiet. Das dort wohnende Ehepaar wollte in eine Altersresidenz nach Wiesbaden ziehen und musste warten, bis ihr Appartement beziehbar war. Eine leichte Nervosität war bei allen zu spüren. Unser Umzug fand unmittelbar nach Weihnachten statt. Viele Freunde und Fußballkameraden halfen bei dem Umzug quer über die Straße. Wer gedacht hatte, dass ein Umzug von der Hausnummer 60 in die 25 einfacher sei, als der in eine andere Stadt, hatte sich geirrt. Am Silvesterabend konnten wir zwar an unserem Tisch sitzen; es standen jedoch noch einige Kisten zum Auspacken herum und die Atmosphäre war alles andere als gemütlich. Ich versuchte trotzdem, den Abend so angenehm wie möglich zu gestalten. Willi konnte nur mühsam die Augen aufhalten. Eine Stunde vor Mitternacht ging Willi mit der Bemerkung: Ich kann nicht mehr! ins Bett.

Sichtlich enttäuscht gab ich zur Antwort, dass ich durchhalten und mit unseren Kindern ins neue Jahr hineinfeiern werde. Über die Schwäche meines Mannes war ich etwas verärgert. Auch ich war müde; aber die Kinder sollten ihr Feuerwerk anzünden und das Jahr 1980 wenigstens mit mir beginnen können.

Trotz des nicht perfekten Anfangs sollte das neue Jahr ein recht gutes werden. Es verlief zwar nicht reibungslos, aber wir waren zufrieden.

Von William Voltz waren inzwischen folgende PERRY RHODAN­­­­-Romane erschienen:

Nr. 860 “Rückkehr des Zeitlosen”
Nr. 861 “Gehirntransport”
Nr. 870 “Plondfair, der Berufene”
Nr. 871 “Zentrum der Lüge”
Nr. 884 “Raumschiff des Mächtigen”
Nr. 885 “Kampf in der PAN-THAU-RA”
Nr. 894 “Soldaten des LARD”
Nr. 895 “Herren der “PAN-THAU-RA”
Nr. 899 “Orkan im Hyperraum”
Nr. 900 “LAIRE”

Der Verlag war mit den Vorbereitungen für den Welt-Con Anfang November 1980 im Mannheimer Rosengarten beschäftigt. Er sollte groß, perfekt und unvergesslich werden. Anlass war das Erscheinen von Band Nr. 1000 im Oktober. Ein Höhepunkt der PERRY RHODAN­­-Serie, den der Verlag ganz besonders gestalten wollte. William Voltz war als Autor für diesen Roman vorgesehen und wurde damit beauftragt, Ideen für die Gestaltung des Heftes und Extras für die Leser an den Verlag zu liefern.

Die alltägliche Arbeit für PERRY RHODAN lief natürlich auch weiter. Von Walter (Clark Darlton), bekam Willi Mitte Januar ein Schreiben, in dem ihn Walter darum gebeten hatte, ihn einmal bei den Exposés zu überspringen. Bei allem Verständnis, das Willi für seine Kollegen aufbrachte, meinte er, dass diese Mitteilung etwas spät eingereicht worden sei. Willi plante gerne so früh wie möglich. Aber auch dieses kleine Problem ließ sich lösen. Es wäre doch schade, meinte Willi, wenn Walter diese Reise nicht machen könnte.

Am 25.03.80 schrieb Herr Zenkert, der in verantwortlicher Position für den Pabel-Verlag in Rastatt tätig war, an Herrn Bernhardt, der für ein weiteres Jahr die Redaktion in München aufrecht erhalten sollte.

In diesem Gespräch war es um folgende Themen gegangen:

PERRY RHODAN-Weltraum-Atlas Band 1
PERRY RHODN-Lexikon Band 1 und 2
PERRY RHODAN-Jubiläumsband
PERRY RHODAN-Heft Nr.1000
PERRY RHODAN-Buchausgabe 1981

Herr Zenkert legte alle Ideen für die entsprechenden Projekte dar und schrieb abschließend: Dies war, lieber Herr Bernhardt, in Kurzform der Inhalt unseres Gesprächs und ich schlage vor, dass wir uns in Kürze in München zusammensetzen, um ausführlich darüber zu sprechen.

Ein weiteres Projekt, das im Jahr 1980 von Willi Voltz bearbeitet wurde, war das PERRY RHODAN-Magazin. Auch hierfür gab es in Rastatt einen zuständigen Mitarbeiter. Er schrieb am 27.03.80 an Willi. 

Ende April meldete sich eine große Tageszeitung, Ausgabe Frankfurt, bei uns. Es war ein Artikel darüber geplant, was Väter mit ihren Kindern an den Wochenenden unternehmen und man wollte auch William Voltz mit seinen beiden Söhnen zu diesem Thema interviewen.

Redakteur und Fotograf kamen zum verabredeten Termin und machten jede Menge Fotos, die heute noch gerahmt an unseren Wänden hängen. Eines davon erschien in BILD-Frankfurt mit einem kurzen Bericht. Fotografiert wurde auf dem Platz der Sportgemeinschaft Rosenhöhe in Offenbach, wo Willi, auch als Jugendtrainer, seit Jahren aktiv war. Vater und Söhne wurden befragt und es wurden viele Notizen gemacht. Sicher haben sich einige Leser gefragt, seit wann Willi Voltz der Trainer in Heusenstamm ist und seine Söhne dort spielen… Der eigentliche Trainer der TSV-Heusenstamm hat sich sicher gewundert, aber nie beschwert.

Einige Monate später wurden Willi und ich zum „BILD-Zeitungs-Stammtisch“ nach Neu-Isenburg eingeladen. Es kam eine kleine Auswahl an Frankfurter Prominenz, wie u.a. Lia Wöhr. Es war ein ausgesprochen unterhaltsamer und angenehmer Abend. Die Organisatorin dieses Abends war auch die verantwortliche Redakteurin für den Artikel „Vati, unser bestes Stück“, Linda Ivanus.

Nicht lange danach wechselte Linda Ivanus zum Pabel-Verlag nach Rastatt und war 1986, zusammen mit Horst Hoffmann, verantwortlich für die Organisation des PERRY RHODAN-Cons in Saarbrücken.

Bevor für unseren Sohn Stephen das sechste Schuljahr, das zweite Förderstufenjahr, zu Ende ging, hatten wir uns entschlossen, ihn in eine Privatschule mit Internat im Taunus anzumelden. Der Sohn unserer Nachbarn, der mit Ralph befreundet war, ging bereits seit einem Jahr dort hin. Die Eltern hatten diese Entscheidung getroffen, da sie der Meinung waren, dass der Sohn diesem Druck nicht standhalten würde. Nach einem Besuch in dieser Schule und einem Gespräch mit der Schulleiterin, meldeten auch wir unseren Sohn an, in der Hoffnung, eine gute Entscheidung getroffen zu haben.

Angemeldet hatten wir uns auch wieder in Dänemark. Wir freuten uns schon auf den Urlaub an diesem schönen und erholsamen Platz an der Ostsee. Bevor wir ihn genießen konnten, wurde unsere Vorfreude gewaltig gestört.

An einem Samstagmorgen wollte ich meine Kinder an der Schule absetzen und anschließend einkaufen fahren. Ich ging mit den Söhnen nach draußen und suchte nach dem Platz, an dem mein Mann nachts das Auto abgestellt hatte. Damals hatten wir keine Garage. Unser inzwischen fast zwei Jahre alter BMW aus dem Bayerischen Wald stand auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Er sah jedoch nicht mehr so aus, wie ich ihn vom Tag zuvor in Erinnerung hatte. Der linke, hintere Kotflügel hatte einen heftigen Schlag abbekommen. „Oh nein…auch das noch“, sagte ich und rannte zurück ins Haus, hoch ins Schlafzimmer.

„Willi“, rief ich total aufgelöst, „irgendjemand ist auf unser Auto gefahren!“

Mein Mann, der auch jetzt noch die Ruhe behielt, setzte sich im Bett auf und antwortete: „Das war ich!“

Er erzählte mir, dass er am Abend zuvor nach der üblichen Spielersitzung mit seinem Freund Peter nach Frankfurt in eine Weinstube gefahren sei. Ich wusste, dass die beiden dort gelegentlich mit einem Gläschen Wein das Wochenende einläuteten… An diesem Abend entschied sich Willi dafür, nicht die übliche Strecke nach Heusenstamm zurück zu fahren, weil auf diesem Stück oft die Polizei kontrollierte. Willi hatte sich für die Fahrt durch den Ortsteil Oberrad entschieden. Selbst bei Tag und gutem Wetter ist es nicht die bequemste Straße für einen Autofahrer. Es hatte inzwischen heftig angefangen zu regnen und die Straßenbahnschienen erleichterten ihm die nasse Nachtfahrt kein bisschen.

„Ich kam plötzlich ins Rutschen“, erklärte mir mein Mann immer noch erstaunlich ruhig. „Das Auto drehte sich und ich spürte, dass ich gegen irgendetwas gerutscht bin! Ich fuhr in die nächste Seitenstraße und stieg aus. Ich war sofort klatschnass und sah, dass das Auto ganz schön was abbekommen hatte“, sagte er kleinlaut. „Ich glaubte, dass ich an einen dieser rot-weißen Pfosten gefahren bin, die an der Straße stehen. Aber, ich bin mir nicht mehr sicher. Was hätte ich heute Nacht tun sollen? Ich rufe jetzt die Polizei an. Der Gedanke, dass ich vielleicht ein anderes Auto beschädigt habe, lässt mir keine Ruhe!“

Wir ahnten, was auf uns zukommen würde.

Ich erledigte mit unserem beschädigten Auto meine Einkäufe. Als ich nach Hause zurückkam, saß Willi im Wohnzimmer. „Ich muss nach Oberrad zur Polizeistation. Jemand hat einen Schaden gemeldet.“ Der Polizist, der Willis Anruf entgegengenommen hatte, fragte ihn: „Sie wissen doch sicher, worauf Sie sich einlassen?“ Willi wusste es. „Es hat alles keinen Sinn“, sagte er, „ich kann nicht mehr ruhig schlafen mit dem Gedanken, dass ich vielleicht ein Auto beschädigt habe und irgendjemand finanzielle Probleme dadurch hat.“

Willi fuhr nach Oberrad zur Polizeistation. Der nette Polizist, mit dem er schon am Telefon gesprochen hatte, nahm die Personalien auf. Nachdem alle Formalitäten erledigt waren, sah er Willi an und fragte: „Sind Sie etwa der PERRY RHODAN-Autor William Voltz?“

Es wurde nie geklärt, ob wirklich Willi der Verursacher des Schadens an dem anderen Auto war. Da sich sein Auto auf der nassen Fahrbahn und den mit Wasser gefüllten Straßenbahnschienen gedreht hatte und gegen die Fahrtrichtung stand, hätte sein Auto eigentlich den Schaden auf der anderen Seite haben müssen. Auch konnte Willi nicht genau sagen, vor welchem Haus sich dieser Unfall ereignet hatte. Auf eine Hausnummer hatte er in der besagten Nacht nicht geachtet.

„Hilft alles nix!“, sagte mein Mann. „Ich habe einen Fehler gemacht, und dafür muss ich jetzt gerade stehen!“

Willi setzte sich mit dem Besitzer des beschädigten Autos, der in dieser Nacht einen Freund in der Offenbacher-Land-Straße besucht hatte, in Verbindung. Sie trafen sich in der Wohnung des Geschädigten in Niederrad. Ich wartete in unserem Auto. Der Mann erzählte ihm, dass er einen Bekannten habe, der ihm für einen „guten Preis“ von 1.500.–DM das Auto reparieren würde.

Als Willi zurückkam, erzählte er mir von dem Gespräch und meinte: „Das Auto ist garantiert keine Fünfzehnhundert mehr wert!“

Die Kosten für unser Auto beliefen sich auf 4.500.–DM. Eine Strafe von 1.000.–DM musste Willi bezahlen und für einen Monat wurde ihm der Führerschein entzogen. Die Strafanzeige wegen Fahrerflucht wurde zurückgenommen. „Das war ein teures Glas Wein“, konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen.

Ach ja – einige Unterrichtsstunden und einen sogenannten “Idiotentest“ musste mein Mann auch noch über sich ergehen lassen. Unser Freund Peter kam ohne Polizeikontrolle und sonstige Probleme wohlbehalten nach Hause.

Die Urlaubsfahrt nach Dänemark war somit mir überlassen – nicht komplett, um weiterhin ehrlich zu bleiben. Nach vierunddreißig Jahren ist die Tatsache, dass mein Mann trotz Führerscheinentzugs einen Teil der Strecke gefahren ist, sicher verjährt.

Willi hatte sich vorsichtshalber einen Anwalt genommen. Dieser Anwalt war mit seiner Familie etwa zwei Jahre zuvor in unsere Nachbarschaft gezogen. Der freundschaftliche Kontakt entstand durch die Kinder. Willi war besonders von der Tochter angetan. Es war noch zu einer Zeit, da wir in unserem gemieteten Haus wohnten und von der Küche aus einen guten Blick auf die Straße hatten. Ich sah meinen Mann fast am Fenster kleben als ich in die Küche kam. Spontan fragte ich, ob da draußen vielleicht ein schönes Mädchen vorbeigehen würde. Er bejahte meine Frage und zeigte mir auf der anderen Straßenseite ein kleines Mädchen, das, wie sich herausstellte, die damals gerade zwei Jahre alte Tochter unserer neuen Nachbarn war. „Ist sie nicht goldig?“ schwärmte Willi. Ich bestätigte ihm, dass diese Kleine wirklich süß sei. Der Wunsch meines Mannes nach einer Tochter war mir bekannt. Was nicht ist, kann ja noch werden…, dachte ich.

Als unsere Nachbarn hörten, dass wir wieder nach Dänemark fahren würden, fragten sie, ob es vielleicht möglich sei, dass sie uns für etwa zehn Tage in Dänemark besuchen würden. Wir versprachen ihnen, nach einer Ferienwohnung zu suchen. Es war kein Problem in Nordborg, nur ein paar Auto-Minuten von unserem Haus entfernt, eine geeignete Unterkunft zu finden. Wir verbrachten eine ausgesprochen angenehme Zeit miteinander. Noch heute denke ich gerne an diese schönen Tage zurück. Die Kinder waren glücklich und die Erwachsenen auch.

An einem dieser Urlaubstage hielt ein Boot, in dem zwei Männer saßen, direkt bei uns am Strand an. Einer der Männer stand auf und winkte in unsere Richtung. Er hatte einen Fisch in der Hand und schwenkte ihn, um unsere Aufmerksamkeit zu erzeugen. Willi und unser Freund Michael gingen zu den beiden hinunter zum Boot. Sie vertrauten diesen Hobbyfischern, bezahlten für den Fisch und kamen zurück mit der Bemerkung: „Heute Abend wird gegrillt – hier ist frischer Fisch – ausgenommen und gesäubert!“

Es wurde einer der schönsten Grillabende in unserem gemeinsamen Leben.

Als die Urlaubstage mit unseren neuen Freunden zu Ende gingen, fiel uns der Abschied schwer und wir freuten uns auf das Wiedersehen in Heusenstamm.

Nach unserer Rückkehr konnte Willi seinen Führerschein wieder in Empfang nehmen. Unser neues Auto war bestellt und abholbereit. Das war die Aufgabe meines Mannes. Es war wieder ein BMW, diesmal in hellblau metallic.

Ein schönes Auto, dachte ich, als ich es zum ersten Mal sah. Hoffentlich haben wir mit diesem mehr Glück, war mein Wunsch. Nach kurzer Zeit mit unserem schönen neuen Auto, machte ich meinen Mann darauf aufmerksam, dass ich ‘vorne links‘ ein leises Geräusch hören würde. „Ach, du immer mit deinen Geräuschen – ich hab noch nichts gehört. Du kannst ja bei der bald fälligen Inspektion dem Herrn Hasenfuß sagen, dass du ein Geräusch hörst!“

Das Auto frühmorgens nach Offenbach zu bringen, war wieder meine Aufgabe. Ich erzählte dem Mann von BMW, den ich inzwischen schon gut kannte, von diesem Geräusch.

„Ich kümmere mich darum“, sagte er und nach dem Kofferraum, der manchmal nicht aufgehen wollte, versprach er ebenfalls zu sehen.

Als ich das Auto am frühen Abend wieder abholen konnte, sagte mir der Mitarbeiter von BMW, dass alles in Ordnung sei und auch der Kofferraum wieder perfekt schließen würde. „Was ist mit dem Geräusch?“ fragte ich ihn. Sein Blick verriet mir, dass er nicht wusste, wovon ich sprach. Ich half ihm auf die Sprünge: „Das Geräusch vorne links – erinnern sie sich, wir sprachen heute Morgen darüber?

„Ach ja, ach ja, ich bin auf unserem Gelände mit dem Auto gefahren, konnte aber nichts hören.“ Mir war klar, dass er nicht die Wahrheit sagte.

Soll sich mein Mann darum kümmern, dachte ich und verabschiedete mich.

Ich erzählte Willi von meinem Erlebnis und bereitete ihn darauf vor, dass er das nächste Mal selbst zur Werkstatt fahren muss. „Die glauben mir doch nichts“, und ich setzte noch hinzu: „Genau wie du!“

„Wird schon nichts sein“, meinte er. „Ich muss mich um meine Arbeit kümmern!“

Es gab einiges, worum sich Willi kümmern musste: PERRY RHODAN, ATLAN und vieles mehr. So sollten noch im Jahr 1980, vor dem großen Weltcon in Mannheim, der PERRY RHODAN-Jubiläumsband 1 sowie der PERRY RHODAN-Weltraumatlas erscheinen. Die redaktionellen Tätigkeiten wurden von William Voltz übernommen. Peter Griese war für die Zusammenstellung und die Texte im Weltraumatlas verantwortlich, Josef Dienst sorgte für die Zeichnungen.

Romane mussten geschrieben und Exposés ausgearbeitet werden. Außerdem gab es die Rißzeichnungen, für deren Koordination Willi ebenfalls verantwortlich war. Rudolf Zengerle wurde inzwischen von Ingolf Thaler und Bernard Stoessel unterstützt. Bis auf eine Ausnahme waren diese drei Zeichner für lange Zeit die einzigen. In Band 791 erschien die erste Arbeit von Christoph Anczykowski, dem im Laufe der Jahre einige sehr talentierte Zeichner folgten. Die Leser hatten die Idee mit den Rißzeichnungen wohlwollend angenommen und sie waren zu einem wichtigen Bestandteil der PERRY RHODAN-Serie geworden.

Der PERRY RHODAN-Weltcon rückte näher. Man konnte die Spannung spüren. Kaum ein Gespräch hatte nichts mit diesem Event zu tun. Der Verlag, die Autoren, die Fans, besonders diejenigen, die aktiv an den Vorbereitungen beteiligt waren, warteten auf den 1. November und die feierliche Eröffnung des 1. PERRY RHODAN-Weltcons.

Auch wir freuten uns schon auf dieses Wochenende. Unsere Söhne verbrachten diese Tage bei Freunden.

Nach der Ankunft im Hotel in Mannheim am 31.Oktober, bereiteten wir uns auf einen gemütlichen Abend mit den anderen Autoren, ihren Frauen und allen Verlagsmitgliedern, die aus München und Rastatt angereist waren, vor. Alle waren sich einig – ein guter Eindruck sollte hinterlassen werden und besonders die Fans wieder zufrieden nach Hause fahren.

Kurt Bernhardt, der Cheflektor aus München und G.M. Schelwokat aus Straubing, beide mitverantwortlich am Erfolg der PERRRY RHODAN-Serie, konnten leider nicht an dieser Veranstaltung teilnehmen.

Am nächsten Morgen trafen wir uns alle im Mannheimer Kongress-Zentrum Rosengarten zur großen Eröffnung.


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