William Voltz

Biografie

Teil 30

In den siebziger Jahren wurden nicht nur viele Romane geschrieben, sondern auch unzählige Briefe, die auf Willis Schreibtisch landeten. Im ersten Halbjahr 1975 kamen alleine von Walter Ernsting (Clark Darlton) vierzehn Briefe. Die Postkarten, die zwischendurch ankamen, nicht mitgezählt. Walter war inzwischen dazu übergegangen, seine Briefe auf richtiges Briefpapier zu schreiben – nicht mehr auf Durchschlagpapier. Das erleichterte das Lesen seiner Zeilen wesentlich. Walters Briefe waren immer eine Mischung aus Ernsthaftigkeit und Clownerie. Es wurde über die PERRY RHODAN- ATLAN- und DRAGON-Serie diskutiert, ebenso über Dinge, die man ändern sollte und über Sorgen, die man sich machte.

Ein wichtiges Thema war zu dieser Zeit der bevorstehende PERRY RHODAN-Con in den U.S.A., der vom 2.bis zum 4.Januar 1976 in Washington D.C. stattfinden sollte. Ein junger Fan aus Florida, Tim Whalen, war maßgeblich an der Organisation des RHOCons beteiligt. Es war geplant, dass Clark Darlton und Willi Voltz nach Washington D.C. fliegen werden, um an dem Con teilnehmen. Kurt Mahr, der zu dieser Zeit noch in Bruckmühl, südlich von München wohnte, sollte ebenfalls nach Washington kommen.

Auch von einer bevorstehenden Veranstaltung der AAS (Ancient Astronaut Society), zu der sich Erich v. Däniken und Freunde Ende Mai in Zürich treffen wollten, schrieb Walter. Willi war, ebenso wie Kurt Bernhardt, zu diesem Treffen eingeladen. Aus einem Brief vom 6.Juni geht hervor, dass die Zusammenkunft eine angenehme gewesen sein muss:

„Ansonsten war es schön, Dich mal wiederzusehen, und auch das Treffen mit KB war nett und gut. Man will nun die Vorträge nicht als Paperback, sondern innerhalb der PR-Hefte bringen, die dann jeweils ohne Mehrkosten um 16 Seiten verlängert werden. Wir sind noch einige Tage auf Erichs Kosten im Hotel geblieben. Der Kreis war enger, es gab viel Spaß und engere Kontakte. So hatte ich eine Diskussion mit dem Lichtgeschwindigkeitsexperten Mehlsack (der heißt richtig Mehlhose, aber das finde ich genauso lustig). Sehr interessant. Bekam ein paar gute Ideen .

Nun ja, mehr nicht heute. Sehen uns am 12.Juni ohnehin.

Gruß auch von Bibs, die Dich zu meinem Entsetzen schrecklich sympathisch findet.
Herzlichst, Walter“

Für den 12.Juni war eine Gruppen-Diskussion vorgesehen, die im „Schuhhotel“ Eden stattfinden sollte, wie Walter es nannte. In diesem Münchener Nobelhotel sorgten Walter und Willi viele Jahre zuvor für den „Schuhskandal“.

Viele Briefe kamen in dieser Zeit auch von den Autoren Ernst Vlcek, den Kurt Bernhardt gerne Flatschek nannte, von Klaus Mahn (Kurt Mahr), H.G. Ewers, H.G. Francis, sowie von den Jungautoren Peter Terrid und Dirk Hess, der sich bei ATLAN eingearbeitet hatte.

Am häufigsten kam jedoch Post aus München. An Kurt Bernhardt, der weiterhin die Redaktion von München aus leitete, kam kaum ein Leserbrief unkommentiert vorbei.

Am 2.7.1975 schickte K. Bernhardt ein umfangreiches Exposé an Willi. Es kam von Franz Dolenc aus Wien und beinhaltete „Zusammenfassende Bemerkungen über die Bände 700-723“. Dieses Exposé wurde an die Autoren und an G.M.Schelwokat geschickt:

…unabhängig davon“, schrieb K. Bernhardt, „ob die verschiedenen Punkte der Kritik stimmen oder nicht. In jedem Fall bitte ich Sie, Herrn Dolenc zu antworten, denn hier liegt schon eine kleine Doktorarbeit vor.“

Franz Dolenc war ein sehr eifriger und gründlicher Leser der PERRY RHODAN-Serie, der später zu einer großen Stütze für William Voltz bei der Buchbearbeitung werden sollte.

Am 26.9.1975 schrieb der Cheflektor an Willi:

…ich schicke Ihnen heute einen Leserbrief von Brigitte S., die mich schon seit Jahren verfolgt, nicht wegen meiner Männlichkeit, sondern wegen PERRY RHODAN, da sie eine eifrige Leserin dieser Serie ist. Ich fände es einen ganz guten Gag, wenn wir diesen Brief in der nächsterreichbaren Kontaktseite veröffentlichen, natürlich mit dem beiliegenden Foto. Außerdem will ich die Schauspielerin bitten, daß wir noch eine Werbeanzeige über PERRY RHODAN und sie als PERRY RHODAN-Leserin in unseren Objekten bringen dürfen. Vielleicht rufen Sie mich in dieser Angelegenheit nochmals an…

Ebenfalls im September kam eine fünfseitige Zusammenfassung, in der ein Leser aus Wien seine Forschungsideen niedergeschrieben hatte. Bernhardt schrieb:

…ich schicke Ihnen heute diese weltanschaulichen Gedanken von Karl J. zu. Ich muß offen bekennen, daß ich keinen richtigen Einblick gewonnen habe. Ich verstehe nicht, was der Mann will. In jedem Fall möchte ich, daß Sie davon Kenntnis nehmen und an meinen Hinweis denken, daß die gesamte Tierwelt ein menschliches Gehirn eingepflanzt bekommt, so daß die Tiere den Menschen, von der Intelligenz und vom Verstand her, gleich sind. Da könnte man meines Erachtens ganz schöne Handlungsfäden ziehen, und wir hätten wieder eine neue Sache für PERRY RHODAN.“

Die Anzahl der wöchentlich eintreffenden Leserbriefe erhöhte sich. Das Interesse der Leser am Äußern ihrer Meinungen war geweckt worden. Kurt Bernhardt reagierte sofort, wenn er den Eindruck hatte, dass sich bei den Lesern Unzufriedenheit breit machte.

Oft begannen die Fans ihre Briefe mit den Worten: „Auch ich möchte einmal meinen Senf dazu geben!“ Viele Briefe wurden noch an den Verlag adressiert, vom Cheflektor gelesen und, wenn er es für nötig befand, mit einer Notiz versehen. Danach wurde die Post an Willi geschickt, der ebenfalls alle Briefe las und beantwortete. Einige suchte er aus für die Leser-Kontaktseite. Willi scheute nicht davor zurück, auch kontroverse Themen zu veröffentlichen. Sein Gedanke dabei war, die Leser zu motivieren, die LKS als Podium für Diskussionen zu benutzen. Er hatte jedoch die Rechnung ohne den Wirt (Cheflektor) gemacht. Alle von Willi erstellten Kontaktseiten gingen vor der Veröffentlichung an Kurt Bernhardt. Ihm entging nichts – und wenn dem Chef etwas nichts passte, griff er zum Telefon. Eine seiner Reaktionen war: „Voltz, sind sie verrückt? Das können sie nicht bringen! Die Leser laufen Amok!“ Willi versuchte, Kurt Bernhardt von seinem Standpunkt zu überzeugen. Das gelang nicht immer. Bernhardt beendete eine der Diskussionen mit den Worten: „Man schlachtet nicht die Kuh, die einem Milch gibt!“ Damit war dieses Thema beendet.

Seit einigen Monaten unterstützte ich meinen Mann bei der Beantwortung der Leserpost. Willi fragte mich eines Tages was mir lieber sei – eine Putzfrau für mich oder eine Sekretärin für ihn. Ganz spontan entschied ich mich für die Putzfrau. Nach zwei hoffnungslosen Versuchen wurde allerdings im Hause Voltz wieder selbst geputzt.

Das Lesen der Briefe brachte auch mich den PERRY RHODAN-Fans und ihren Gedanken etwas näher. Die Briefe zeigten, wie engagiert sich die Leser schon damals mit der Serie auseinander zu setzen wussten. Willi war davon begeistert. Der Kontakt, auch der persönliche, wurde durch die Leserpost intensiviert.

Für den Sommer 1975 hatten wir endlich wieder einen Urlaub geplant. Unsere Freunde Ute und Peter, sowie ihre Kinder Jörg und Christiane, fuhren mit uns nach Spanien in den Ort Llafranch. Ein weiteres Ehepaar mit Sohn kam ebenfalls an die Costa Brava, um mit uns gemeinsam die Ferien zu verbringen.

Nach Spanien fuhren wir mit einem neuen Auto. Wieder ein Alfa. Diesmal blau und sportlich geformt. Unsere Kinder waren zwar noch klein, aber für eine vierköpfige Familie, die in den Urlaub einiges an Gepäck mitnehmen musste, war dieser Wagen, meiner Meinung nach, nicht groß genug. Der hässlich-gelbe Alfa, den wir zuvor hatten, war ebenso wenig zufriedenstellend gewesen wie der weiße davor. In den zwei Jahren, die das Auto von uns gefahren wurde, musste dreimal die Kupplung ausgetauscht werden. Wie immer war ich dafür verantwortlich, frühmorgens nach Offenbach in die Werkstatt zu fahren. Ich erklärte dem Meister das Problem und fuhr mit dem Bus nach Hause. Kaum dort angelangt rief die Werkstatt an: „Die Kupplung ist kaputt. Ihre Frau lässt sie bestimmt schleifen!“ Klar, dachte ich nur – wer sonst. Da dieses Problem weder davor noch danach jemals wieder bei einem Wagen aufgetreten war, nahm ich den Vorwurf relativ gelassen hin. Unser Alfa brachte uns auch ansonsten wenig Glück. Noch in Offenbach wohnend, hatte Willi einen Unfall. Es war ein Tag, der schon nicht besonders angenehm begonnen hatte. Wir hatten eine Diskussion und konnten für unsere unterschiedlichen Meinungen keinen gemeinsamen Nenner finden. Ein Lichtblick an diesem Morgen war ein Scheck über DM 4.500,– vom Moewig-Verlag, den der Postbote gebracht hatte. Willi verließ unsere Wohnung und brummte nur: „Ich bringe den Scheck zur Bank!“

Etwa zwanzig Minuten später klingelte es an der Wohnungstür. Davor stand unsere Nachbarin vom Parterre. „Erschrecken Sie nicht, Frau Voltz!“ Zu spät. Diese Begrüßung reichte aus, um bei mir das Gegenteil zu erreichen. Sie erzählte mir, dass mein Mann an der Kreuzung Taunus- und Goethestraße einen Unfall hatte. Sie versicherte mir, dass es ihm gut gehe, er brauche nur ein ihm fehlendes Papier für die Polizei. Ich eilte mit dem Papier zur Unfallstelle. Wie immer in einer solchen Situation mangelte es nicht an Publikum. Willi saß im Polizeiauto. Bis auf einen Schrecken hatte er tatsächlich nichts abbekommen. Der Alfa dagegen sah nicht sehr gesund aus und stand schräg vor einem Laden an der Ecke. Willi erzählte mir später, dass er, wie vorgeschrieben, an der Kreuzung gehalten hatte und weiterfuhr, weil er kein Auto von rechts kommen sah. Kaum war er weiter gefahren, krachte ihm ein Taxi in die Seite und schleuderte ihn bis vor den Laden an der Ecke. Dass der Taxifahrer zu schnell fuhr in einer auf beiden Seiten zugeparkten Straße, spielte keine Rolle. Die Schuld an dem Unfall wurde Willi zugeschrieben. Wahrscheinlich war er mit seinen Gedanken noch bei unserer Diskussion. Die Höhe des Schecks, den Willi zur Bank bringen wollte, deckte fast auf den Pfennig genau die Kosten für die Reparatur an unserem Auto.

Nach unserem Urlaub in Spanien, der ausgesprochen harmonisch und erholsam verlief, war für uns klar, dass unsere Wahl beim nächsten Autokauf auf eine andere Marke fallen würde. Bereits nach kurzer Zeit lösten sich an unserem neuen Auto die Schrauben, mit denen die kleinen Lautsprecherboxen im Fußraum angebracht waren. Außer mit Klebeband ließen sie sich nicht mehr bändigen. Bei dem Versuch die Autotür zu schließen, behielt ich die Innenverkleidung in der Hand, während die Tür noch offen stand… Inzwischen hatte auch Willi, der große Alfa-Fan, genug schlechte Erfahrungen gesammelt, um sich beim nächsten Autokauf für eine andere Marke zu entscheiden.

Nach den Ferien wurde unser zweiter Sohn, Ralph, eingeschult.

Am 12.September 1975 erstellte Willi einen Textvorschlag für eine Werbeseite zum PERRY RHODAN-Band Nr. 750, den er an die Redaktion in München schickte. 

Der dafür zuständige Redakteur, Joachim Bulla, antwortete. 

Bei aller Arbeit kam auch das Hobby nicht zu kurz. Sonntags vormittags war Willi als „Spielausschuss“ mit der Reserve und der 1.Mannschaft der Sportgemeinschaft Rosenhöhe unterwegs.

Wie ein Zeitungsausschnitt zeigt, durfte Willi sogar gegen die Alten Herren der lokalen Fußball-Prominenz spielen.

Auch der Rest des Jahres zeichnete sich durch hohe Schreibaktivität aus. Dies hatte zur Folge, dass für das Jahr 1975 zwei der damals üblichen Schnellhefter benötigt wurden. Am 22.12.1975 schrieb Kurt Bernhardt den für dieses Jahr letzten Brief an Willi.

Walter (Clark Darlton) hatte inzwischen mit Willi besprochen, dass er mit Lebensgefährtin Bibs nach Heusenstamm kommen würde, um gemeinsam mit Willi am 1.Januar 1976 nach Washington D.C. zu fliegen. Sie meldeten sich für den 30. Dezember an. Genau wie wir freuten sich auch unsere Buben auf den Besuch. Walter und Bibs waren immer gern gesehene Gäste. Es wurde eine ruhige Silvesternacht, denn die drei Amerikareisenden mussten früh aufstehen. Das am Tag zuvor bestellte Taxi kam pünktlich und Walter, Bibs und Willi machten sich am ersten Tag des neuen Jahres auf den Weg zum Flughafen nach Frankfurt, der etwa 20 Minuten von unserem Haus entfernt liegt. Gerne wäre ich mit geflogen, aber die mütterliche Pflicht hielt mich auch von dieser Reise zurück.

Die vergangene Nacht war sehr stürmisch und der Wind fegte noch immer heftig durch die Straßen. Ich begann damit, herumliegendes aufzusammeln. Auch die Überbleibsel des Feuerwerks wurden bei dieser Gelegenheit gleich entfernt. Hoffentlich haben die drei einen ruhigen Flug, der nicht durch Turbulenzen gestört wird, dachte ich. Wie mir Willi später erzählte, nutzte mein Wünschen nichts. Für einige Zeit wurde das Flugzeug ordentlich durcheinander geschüttelt, mit dem Erfolg, dass die Stewardess öfters nach Whiskey gefragt wurde…

Teil 31

Folgende PERRY RHODAN-Romane hatte William Voltz inzwischen geschrieben:

Nr. 705 „Flucht aus Imperium Alpha“
Nr. 709 „Stahlfestung Titan"
Nr. 717 „Das Ende von Balayndagar“ (Willis Vorschlag: Balayndagar verschwindet)
Nr. 726 „In der Dakkarzone“ (Willis Vorschlag: Der endlose Tunnel)
Nr. 730 „Wege ins Nichts“ (Willis Vorschlag: Achtzehn Wege ins Nichts)
Nr. 731 „Die Diebe von der SOL“ (Willis Vorschlag: In der Galaxis der Laren)
Nr. 740 „Der Schaltmeister von Orcsy“ (Willis Vorschlag: Kalmeck der Wissende)
Nr. 746 „Der Zeitlose“ (Willis Vorschlag: ALASKA)
Nr. 757 „Welt ohne Menschen“ (Willis Vorschlag: Die letzten Menschen der Erde)
Nr. 758 „Die Einsamen von Terra" (Willis Vorschlag: Geisterstadt Terrania-City)
Nr. 768 „Terra Patrouille“ (Willis Vorschlag: Der Überlebende)
Nr. 777 „Kampf den Invasoren“
Nr. 778 „Duell der Außerirdischen"
Nr. 785 „Die erste Inkarnation“ (Willis Vorschlag: CLERMAC)
Nr. 790 „Das Geheimnis des Moduls“ (Willis Vorschlag: Das Modul)

Für die ATLAN-Serie schrieb Willi Band Nr. 200 mit dem Titel „Herrscher im Mikrokosmos“

Es gab außerdem noch Veröffentlichungen innerhalb der Terra Astra Heftreihe sowie PERRY RHODAN-Taschenbücher.

Der PERRY RHODAN-Con in Washington endete am 4. Januar 1976. Am 5.1. begaben sich Walter, Bibs und Willi auf den Rückflug nach Frankfurt, wo sie am Morgen des 6. Januar müde aber wohlbehalten ankamen. Es gab viel zu erzählen. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass die beiden Autoren bei ihren Erzählungen in die Welt der Fantasie entrückten. Ameisen, die aus dem Wasserhahn strömten, eine PERRY RHODAN-Leserin, die Willi ohrfeigte, weil er, wie sie glaubte, ihre Lieblingsfigur Thora sterben ließ… Vielleicht stimmte auch alles, was Walter und Willi zu erzählen hatten. Auf jeden Fall waren es lustige Tage, an die sich die beiden Freunde noch oft und gerne erinnerten. Walter und Bibs blieben noch für eine Nacht und machten sich dann wieder auf den Weg nach Hause.

Ohne große Pause musste die Arbeit wieder aufgenommen werden. Auch der Cheflektor in München, Kurt Bernhardt, startete das neue Jahr wie man es von ihm gewöhnt war – sehr aktiv. Leserbriefe wurden analysiert und die Meinungen der Leser mit Willi diskutiert. Die Leserkontaktseite und die Aufforderungen an die Leser, sich zu bestimmten Themen zu äußern, trugen dazu bei, dass sich die PERRY RHODAN-Fans immer häufiger zu Wort meldeten. Die Meinungen waren erwartungsgemäß unterschiedlich. So auch zum Diskussionspunkt „Neue Autoren für PERRY RHODAN“. Auf der LKS von PERRY RHODAN Nr.752 wurden die Leser aufgefordert, sich hierzu zu äußern. Willi unterstützte Bernhardt gegenüber die Leser, die der Meinung waren, dass es nicht gut sei, wenn ein Autor nur noch alle acht bis zehn Wochen mit einem Roman an die Reihe kommen würde. Ein Argument hierzu war, dass der Autor die Beziehung zur Handlung verlieren würde. Ein Team von elf Schreibern – da lässt sich keine geschlossene Serie mehr machen.

Bernhardts Schreiben vom 6.2.1976 ließ vermuten, dass ein Jungautor gute Chancen hatte, in den PERRY RHODAN-Kader aufgenommen zu werden.

Wie Bernhardts Brief vom 17.2.1976 beweist, waren auch „Frauen in PERRY RHODAN“ für ihn immer noch eine Diskussionsrunde wert.

Und, um das Thema Cheflektor Bernhardt abzurunden, noch drei seiner Briefe vom Januar 1976, die alle ein Beweis dafür sind, dass die Erfolge der Serien PERRY RHODAN und ATLAN nicht nur von den Autoren ausgingen.

Fürs Frühjahr war eine Autorenkonferenz in Rastatt geplant. Wie immer vor einer solchen Sitzung forderte Willi die Autorenkollegen auf, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie die PERRY RHODAN-Serie gerne fortgesetzt sehen möchten. Ideen hierzu sollten eingereicht werden. Bernhardts Brief vom 26. März zeigt, dass die Resonanz dürftig war.

Für Mitte Mai wurde trotzdem eine Autoren-Besprechung anberaumt. Zu dieser Sitzung kam auch Franz Dolenc, der sich inzwischen als Fehler-Finder und Kritiker gut etabliert hatte. Die Reaktionen der Autoren auf Franz Dolenc waren unterschiedlich. Einigen Autoren gefiel es nicht, dass er nicht nur nach Fehlern suchte, sondern auch versuchte, die Autoren stilistisch zu korrigieren und zu verändern. Es kamen entsprechende Reaktionen und gelegentlich musste sich auch Franz Dolenc von den Autoren korrigieren und kritisieren lassen. Das ist eben das Interessante an einem Autorenteam. Jeder hat seine Art zu schreiben und jeder Leser hat seinen Favoriten. Und dabei sollte man es auch belassen.

Wie nach allen Diskussionsrunden fuhren die Autoren auch diesmal mit neuen Ideen und frischem Elan nach Hause.

Während der unzähligen Telefongespräche zwischen Willi und Kurt Bernhardt wurde auch häufig über private Themen gesprochen. Der Cheflektor war immer daran interessiert, dass die familiären Verhältnisse seiner Autoren in Ordnung waren. Nach Bernhardts Meinung konnten nur Menschen Leistung bringen, die ein glückliches und zufriedenes Privatleben hatten. Bei einem dieser Gespräche wollte er wissen, ob die Familie Voltz für das Jahr 1976 schon Urlaubspläne hatte. Als Willi ihm sagte, dass wir noch nichts gebucht hätten, schwärmte er von seinem oft besuchten Urlaubsort, Wyk auf der Insel Föhr. „Sie immer mit ihren abenteuerlichen Urlauben“, meinte Kurt Bernhardt. „Das ist viel zu gefährlich, da wird man doch nur krank und erholt sich nicht!“

Wir besprachen diese Möglichkeit, schoben die Bedenken wegen des unbeständigen Wetters beiseite und ließen uns die Anschrift geben. Es war noch Platz für uns und wir buchten für dreieinhalb Wochen. Ein befreundetes Ehepaar schloss sich uns an. Sie hatten einen Sohn im Alter unserer Kinder und wir wussten von unserem Spanienurlaub im Jahr zuvor, dass wir gut miteinander auskommen würden. Sie buchten in einem Hotel in Wyk.

In den Koffern befanden sich diesmal neben Badeanzügen auch Gummistiefel und Regenjacken – vorsichtshalber. Auch wenn sich die Fahrt, nachdem wir Hamburg hinter uns gelassen hatten, ein wenig zog, war es doch eine vergleichsweise kurze Fahrt in den Urlaub. Am späten Nachmittag fuhren wir durch Niebüll und waren dann auch schon bald in Dagebüll. Von dort ging es mit der Fähre nach Wyk. Uns gefiel die Gegend mit den Reetdächern und den schönsten und größten Hortensiensträuchern, die wir je gesehen hatten. Wir fanden, ohne lange suchen zu müssen, das Backsteinhaus von Frau Sörensen. Unsere Vermieterin war eine verwitwete, resolute Dame im Alter von einundachtzig Jahren. Mit den Worten: „Kommen Sie mit, ich zeige Ihnen wo Sie wohnen. Auspacken können Sie später“, führte sie uns in den Teil des Hauses, in dem sich unsere Zimmer befanden. Das Haus war geräumiger, als es von außen wirkte. Frau Sörensen führte uns in einen kleinen Flur und von dort in ein Schlafzimmer. Es war ein typisch deutsches Zimmer älteren Semesters mit Doppelbett, Kleiderschrank und Kommode. „Hier schlafen die Kinder!“, sagte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch erlaubte. Gegenüber war ein Zimmer, in dem ein einzelnes Bett stand. „Hier schlafen Sie“, sagte sie zu mir. „Das Bad ist genau nebenan!“ Wir waren etwas irritiert. Bevor Willi fragen konnte, wo er denn schlafen darf, klärte ihn unsere Wirtin auf: „Sie kommen mit nach oben. Da befindet sich Ihr Zimmer!“ Wir sahen uns an. In unseren Blicken konnte man eine Mischung aus Fassungslosigkeit und Enttäuschung feststellen. Mit fast jugendlichem Elan machte sich die kleine Frau auf den Weg ins erste Stockwerk. Bevor Willi ihr nach oben folgte, drehte er sich zu mir um und sagte: „Du kannst mich ja ab und zu da oben in meinem Kämmerchen besuchen!“

Wir packten die Koffer aus und machten uns frisch. Danach trafen wir uns mit unseren Freunden an deren Hotel. Zum Hotel “Wyk“ gehörte ein gutes, gemütliches Restaurant, in dem wir unser Essen und den Rest des Abends genießen konnten.

Am nächsten Morgen wartete im Wohnzimmer ein wunderbares Frühstück auf uns. Frau Sörensen hatte für uns einen Tisch an einem großen Fenster mit Blick in den gepflegten Garten gedeckt. In ihm tummelten sich Hasen, Eichhörnchen, Igel und verschiedene Vogelarten. Ab und zu besuchten auch Rehe diesen idyllischen Platz. Auf der Fensterbank standen Blumentöpfe mit verschiedenen Pflanzen unterschiedlicher Größen, denen man ansehen konnte, dass sich ihnen die Hausfrau mit viel Zeitaufwand und Liebe widmete.

Außer uns waren noch ein paar Gäste im Haus, die wir aber nur selten zu sehen bekamen. Bis wir zum Frühstück kamen, machten sich die anderen Gäste bereits auf den Weg, um die Insel zu erkunden oder an den Strand zu gehen.

An unserem ersten Urlaubstag mussten wir in ein Büro der Stadt gehen, um dort unsere Gebühren für die Strandbenutzung und den Strandkorb zu bezahlen. Nach dem wilden Strandleben der vergangenen Jahre hatten wir uns unter dem Motto – es hat alles seine Vorteile – schnell an die deutsche Ordnung gewöhnt. Das Autofahren war in der Stadt Wyk nicht erlaubt. Da die Entfernungen keine großen waren, störte uns das nicht. An unserem Platz angekommen, stellten wir fest, dass alle Familien eine Sandburg gebaut hatten, oder die Neuankömmlinge damit beschäftigt waren eine zu bauen. Es gehörte zur Tradition, und wir wollten diese nicht brechen. Die Männer besorgten große Schaufeln, damit sie jede Menge Sand bewegen und zu einer stattlichen Burg formieren konnten. Für den ersten Tag gab es genug zu tun. Zwischendurch wurden kurze Baupausen für ein erfrischendes Bad in der Nordsee genutzt. Es war eine neue Erfahrung für unsere Kinder, dass der Strand plötzlich immer größer wurde und man zwischendurch ohne Wasser auskommen musste. Sie hatten aber schnell herausgefunden, dass die Zeit der Ebbe den Vorteil hatte, dass man sich im Watt wunderbar suhlen und nach Würmern suchen konnte. Gut, dass es einige Duschen am Strand gab. Das Strandleben machte besonders unsere Kinder hungrig. Da wir Eltern unseren größten Appetit für den Abend aufheben wollten, erlaubten wir unseren Kindern, in ein nahegelegenes, familiäres Lokal zu gehen und nach Wunsch zu speisen. Die drei Buben, sieben, acht und neun Jahre alt, konnten die Zeit ohne Aufpasser genießen und erzählten stolz, dass sie dem Kellner auch Trinkgeld gegeben hätten. Als sich bei den großen Männern “der kleine Hunger zwischendurch” meldete, erinnerte sich unser Freund Werner an die gemeinsame Zeit im Jahr zuvor in Spanien. Dort wurde für Weißbrot, Salami und Käse gesorgt. Ein Schlückchen Rotwein gehörte natürlich auch dazu. Was will man mehr… Schnell war ein Laden gefunden, in dem die beiden Männer kaufen konnten, was uns die Zeit am Strand noch angenehmer machte.

Wir fanden einige nette und gute Restaurants in der Umgebung von Wyk. Die meisten lagen außerhalb der Stadt und wir durften sie mit dem Auto erreichen. Eines war in einer stillgelegten Mühle untergebracht. In einem anderen Lokal, schlicht eingerichtet, der Wirt kochte, die Wirtin bediente, bestellte sich Willi immer wieder das gleiche Gericht – Nordseescholle mit Krabbensoße. ”So etwas Gutes bekomme ich in Hessen nicht, das muss ich ausnutzen!” war sein Argument.

Am Wochenende war die Stadt Wyk gut besucht. Wir entschieden uns für eine Gaststätte, die etwas außerhalb lag und die man uns empfohlen hatte. Der gut gefüllte Parkplatz zeigte uns, dass auch dieses Lokal ein beliebtes war. Als ich am Auto stand, um Stephen die Tür aufzuhalten, fiel mir eine Familie auf, die gerade aus dem Lokal herauskam und zu ihrem Auto ging. Der Mann kam mir bekannt vor. Bevor ich etwas sagen konnte, rief Stephen ganz aufgeregt: “Mutti, da ist der Dalli-Dalli Mann!” Es war tatsächlich der damals sehr bekannte und beliebte Hans Rosenthal, der Stephens Ausruf nicht überhört hatte. Er lächelte uns zu, winkte und wir winkten zurück. Als wir unserer Wirtin von dieser Begegnung erzählten, berichtete sie uns, dass die Familie Rosenthal schon seit Jahren auf der Insel Föhr Urlaub mache und besonders gerne in diese Gaststätte gehen würde.

Es war rundum ein schöner Urlaub. Nach drei Wochen mussten unsere Freunde nach Hause fahren. Wir durften noch ein paar Tage bleiben. In der Nacht vor unserer Abreise gab es ein heftiges Gewitter und den ersten Regen in diesem Urlaub.

Nach unserer Rückkehr meldete sich Willi bei Kurt Bernhardt zurück, der schon mit neuen Aufgaben und Arbeit auf ihn wartete.

Willi berichtete von unserem gelungenen Urlaub, worauf der Lektor meinte: Ich hab’s Ihne gleich gesacht – Sie müsse net immer so weit wegfahrn!”


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