William Voltz

Biografie

Teil 19

Kurt Bernhardt startete das neue PERRY RHODAN-Jahr gleich mit einer Einladung zur

Autorenbesprechung in München. Am 9.1.1970 schrieb er den Autoren, dass der Anreisetag Donnerstag, der 29.1.1970 sei und die Besprechung am darauf folgenden Tag stattfinden werde. Wünsche bezüglich des Hotels sollten bekannt gegeben werden.

Das schon zur Tradition gewordene „gemütliche Beisammensein“ am Abend vor der Besprechung fand auch diesmal statt. Es begann wie immer mit einem guten Abendessen und endete sehr spät in der Bar. Ich bin sicher, dass die PERRY RHODAN-Autoren manchen Barkeeper zur Verzweiflung gebracht haben, weil sie einfach nicht in ihre Betten gehen wollten. Einige Schmerztabletten waren nötig, um die Köpfe für die Besprechung wieder klar zu bekommen. Pünktlich zum vereinbarten Termin waren jedoch alle anwesend, auch Kurt Bernhardt und G.M. Schelwokat, die sich nie eine der vorabendlichen Besprechungen hatten entgehen lassen.

Da es mit der Einhaltung der Termine immer wieder Probleme gab, wurden vom Verlag Terminpläne für die PERRY RHODAN- und die ATLAN-Serien erstellt.

Die Exposé-Redaktion und die Autoren waren mit mehr oder weniger Erfolg bemüht, die Termine einzuhalten.

Beim Treffen in München sprach Kurt Bernhardt Willi auf die Leserbriefe an. Willi antwortete in einem Schreiben vom 2.2.1970 auf die Ideen Kurt Bernhardts und unterbreitete ihm die Gedanken, die er sich über dieses Thema gemacht hatte.

Am 13.2.70 schrieb Kurt Bernhardt, dass er Willi einen Vorrat an Briefen zukommen lassen werde.

Willi übernahm zukünftig nicht nur die Beantwortung der Leserbriefe, sondern auch die Bearbeitung der Leser-Kontaktseite, die seither von einem Verlagsmitarbeiter zusammengestellt worden war.

Am 25.3.1970 schrieb der Cheflektor des Moewig-Verlags:

…wir mussten ab Band 451 den Verkaufspreis der PERRY RHODAN Hefte von 0,90 DM auf 1,–DM erhöhen. Der Grund hierfür sind die im letzten Jahr erhöhten Druck- und Personalkosten.

Der erhöhte Verkaufspreis veranlasst uns, die Honorare wie folgt zu erhöhen:

Das Honorar wurde für die erste und die zweite Auflage um jeweils 50,– DM erhöht.

Zum Ende seines Briefes schrieb Bernhardt:

Wir freuen uns, Ihnen diese Mitteilung machen zu können und hoffen, dass die einzelnen Auflagen nicht reduziert werden müssen, denn dann könnten wir die augenblicklichen Honorare in dieser Höhe nicht mehr zahlen.

Es war ein typischer „Bernhardt-Psychotrick“, der die Autoren daran erinnern sollte, gute Leistungen zu bringen.

Zu unseren Freizeit-Vergnügungen gehörte nach wie vor das sonntägliche Kegeln. Es bereitete uns viel Spaß und wir freuten uns auf jeden Sonntag, den wir mit unserer Kegelgruppe verbringen konnten. Die Stimmung war immer gut, manchmal etwas ausgelassen. Einer dieser Sonntage blieb Willi in schlechter Erinnerung. Er war mit seinem Freund Walter in einem Team und machte sich bereit, die Kunststoffkugel in Richtung Kegel abzuwerfen. Es sind diese Momente, für die man anschließend keine Erklärung mehr hat. Anstatt die Kugel gleich nach vorne zu werfen, warf er sie vor sich auf den Boden und wollte sie auffangen – wie einen Ball. Er unterschätzte die Geschwindigkeit, mit der die Kugel zurückkam. Mit großer Wucht schlug sie Willi ins Gesicht. Geschockt lief er nach draußen.

Unsere Gedanken reichten von Nasenbeinbruch bis zu verlorenen Zähnen. Nach ein paar Minuten des Schreckens stand ich auf, um nach Willi zu sehen. Er kam gerade aus dem Toilettenraum heraus. Seine Lippen waren stark angeschwollen und er sagte: “Ich habe mir ein Stück von meinem Zahn abgebrochen! Aber es geht schon wieder.“ Willi muss starke Schmerzen gehabt haben; er ließ es sich jedoch nicht anmerken. Wir kegelten weiter. Willi musste sich einige Bemerkungen seiner Kegelbrüder gefallen lassen – wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.

Trotz Willis Unfall endete der Abend gemütlich – bei ein paar Bierchen mehr – in unserem Kegellokal, der Apfelwein-Wirtschaft Klein.

Willi ging am nächsten Tag zum Zahnarzt. Fritz Rheinheimer, unser Zahnarzt, war ein Freund meiner Familie. „Was hast du denn gemacht?“ fragte er Willi, als er dessen geschwollene Lippe sah. „Gekegelt – nur in die falsche Richtung“, antwortete Willi. Er erzählte seine Geschichte und Fritz untersuchte den angerichteten Schaden. „Gott sei Dank hast du schlecht gekegelt“, meinte Fritz, „du hast nur einen getroffen!“ Willi ließ sich den abgebrochenen Zahn abschleifen, so dass sein rechter Schneidezahn von da an etwas kürzer war. Zu der damaligen Zeit konnte man kleine Reparaturen wie diese noch nicht besser bearbeiten. Leider wurde der Zahn im Laufe der Zeit dunkler. Der Schaden war wohl doch größer als vermutet.

Die Zusammenarbeit zwischen Kurt Bernhardt und Willi wurde immer intensiver. Willis kleines Büro in unserer Offenbacher Wohnung war zur „ Leitstelle“ zwischen Verlag und Autoren geworden. Wenn der Cheflektor ein Problem sah, auf das er meistens durch Leserbriefe aufmerksam gemacht wurde, rief er Willi an oder schickte Briefe, in denen er seine Sorge um die PERRY RHODAN-Serie zum Ausdruck brachte.

"Die PERRY RHODAN-Serie soll zur Zeit mit Wiederholungen gefüllt sein, so dass sie recht langweilig wird“, schrieb er am 1.7.70. Dieses Urteil stamme von einem Kunden, der die Serie verkauft und sie ständig liest. Seine Kunden seien aber der gleichen Meinung.

Nachdem Bernhardt erst einmal die Peitsche ausgepackt hatte, holte er dann das Zuckerbrot hervor. Zum Ende seines Briefes schrieb er:

Selbstverständlich nehme ich diese Kritik für nicht so wichtig, weil dem gegenüber Leserzuschriften täglich eintreffen, die nach wie vor von PERRY RHODAN begeistert sind.

Die Autoren wussten, dass der für sie wichtigste Mann im Verlag jeden Leserbrief ernst nahm. Das zeigten seine Reaktionen auf die manchmal kurzen, oft aber auch seitenlangen Kritiken der Rhodan Fans. Er las sie alle!

Wie Willis Briefe vom 16.6.70 und vom 6.7.70 zeigen, wurde er von Kurt Bernhardt auch in die organisatorische Arbeit rund um PERRY RHODAN immer mehr einbezogen.

Das Comic-Team des Moewig-Verlags meldete sich nach wie vor regelmäßig bei Willi und bat ihn um Rat und Tat. Hier zwei Beispiele dieser Zusammenarbeit.

Bei all diesen „Nebenarbeiten“ vergaß der Autor William Voltz nicht, dass eine seiner Aufgaben das Schreiben von Romanen war. Im Jahr 1970 schrieb er die PERRY RHODAN-Romane:

Nr.447 „Der Terraner und der Gläserne“ (Der Mensch und der Gläserne)
Nr.452 „Planet der Pazifisten“ (Der Friedensdiktator)
Nr.455 „Auf der Arenawelt“ (Im Zentrum von Gruelfin)
Nr.456 „Der Schaukampf“ (Takvorians Falle)
Nr.463 „Die Spione von Siga“ (Die phantastischen Sechs)
Nr.464 „Der falsche Ganjo“
Nr.471 „Der letzte Test“ (Der Alte von First Love)
Nr.475 „Der große Vasall“ (Der Sammler)
Nr.480 „Der Dieb von Gruelfin“ (Der Aggregatedieb)
Nr.481 „Die Clique der Verräter“ (Die Pedofalle)
Nr.484 „Das Ende der Odikon“ (Die Perdaschisten)
Nr.486 „Zwischen Weltraum und Untergrund“ (In der Arrivazone)
Nr.487 „Ich, der Ganjo“ (Die Urmutter)
Nr.492 „Das stählerne Gefängnis“ (Das Stahlgefängnis)

Zeitmangel war die Ursache dafür, dass Willi im Jahr 1970 nicht mehr als zwei ATLAN-Romane schreiben konnte. Es waren die Romane „Agent der Lenkzentrale“ (Zweimal stirbt man schneller), der als Band Nr.12 erschien und mit der Nr.16 „Siganesen sieht man nicht“ (Der unheimliche Fremde).

An einem Abend, den wir bei unseren Freunden Walter und Helga verbrachten, fragten sie nach unseren Urlaubsplänen. „Wir haben keine“, sagten wir, “die Kinder sind noch zu klein.“

Die beiden, die ihren Jahresurlaub bereits im Mai in Italien verbracht hatten, machten den Vorschlag, dass wir mit Stephen in Urlaub fahren sollten und sie würden sich um Ralph kümmern. Wir wussten zwar, dass unser Kind bei unseren Freunden gut aufgehoben sein würde, aber mit dem Gedanken, drei Wochen von ihm getrennt zu sein, konnten wir uns nur schwer vertraut machen.

„Ihr könnt uns vertrauen“, meinte Walter. „Helga ist eine gute Mutter, und uns würde es Freude bereiten, den Kleinen bei uns zu haben.“

Daran zweifelten wir nicht und versprachen, darüber nachzudenken.

Zwei Monate später, Mitte August, fuhren wir mit Stephen für drei Wochen nach Spanien in das familienfreundliche Hotel MACAYA.

Teil 20

Nachdem wir Ralph zu unseren Freunden gebracht hatten, starteten wir die Reise nach Spanien. Die Fahrt verlief problemlos, bis auf das letzte, sehr kurvenreiche Stück, das Stephen nicht so gut bekommen war. Es war ein Problem, das sich bei späteren Fahrten wiederholen sollte.

Wir kamen am frühen Morgen in Tossa de Mar an und wurden von der Familie und den Angestellten herzlich begrüsst. Stephen wurde von unseren spanischen Freunden verwöhnt und fühlte sich sofort zu Hause.

Unser „alter” Freund Günter kam mit Freundin Waltraud für einige Tage zu Besuch. Er wollte ihr den Ort zeigen, an dem er vier Jahre zuvor mit uns seinen Urlaub verbracht hatte.

Wir hatten eine schöne Zeit und konnten unseren Urlaub genießen. Wie uns Helga berichtete, ging es auch unserem zu Hause gebliebenen Kind gut.

Der Tag der Abreise kam und wir überlegten, wie wir dafür sorgen könnten, dass Stephen die kurvenreiche Strecke besser überstehen würde. “Wir geben ihm am besten morgens nichts zu essen. Dann wird es dem Kind sicher nicht so übel”, war Willis Rat. Gut gemeint und falsch gedacht – wie wir später besser wussten. Die Heimfahrt wurde zum Fiasko. Erst die letzten Stunden der Reise, als wir bereits wieder auf deutschem Boden waren, fühlte sich Stephen besser. Unser Weg führte uns direkt zu unseren Freunden. Ralph war zwar schon im Bett, ich wollte aber wenigstens nach ihm sehen. Vorsichtig ging ich ins Schlafzimmer und stellte fest, dass er noch wach war. Ich ging zu ihm und hoffte auf ein freudiges Lächeln zur Begrüßung. Ralph sah mich nur wortlos an und reagierte auf nichts, was ich ihm erzählte. Mein schlechtes Gewissen wurde durch sein Verhalten nicht geringer. Ich hoffte auf den nächsten Tag. Helga hatte für uns gekocht. Wir erzählten von Stephens Problem und sagten ihr, dass er wohl nichts essen könne. Weit gefehlt – Stephen aß mit großem Appetit ein Rumpsteak, Pommes frites und Blumenkohl, den er eigentlich nicht mochte.

Am nächsten Morgen wurde Ralph von meiner Freundin zu uns zurück gebracht. Er trug einen neuen Regenmantel mit Hut und setzte sich stolz auf sein Dreirad, das ihm die Pflegeeltern gekauft hatten.

Als wir uns verabschiedeten, lief Ralph mit seinen noch etwas unsicheren Schritten – er hatte die ersten Schritte bei unseren Freunden gemacht – auf Helga zu und umarmte sie, so, als wolle er ihr danken für die schöne Zeit in ihrem Haus. Dies war zwar ein Zeichen dafür, dass sich unser Kind wohlgefühlt hatte bei unseren Freunden, ich wusste aber auch, dass ich eine solche Entscheidung nicht mehr treffen würde.

Willi sah das nicht ganz so gefühlsbetont und war der Überzeugung, dass diese drei Wochen Ralph nicht geschadet hätten.

Gleich nach unserer Rückkehr aus dem Urlaub startete Willi die Arbeit für PERRY RHODAN. Die Vorbereitungen für den Jubiläumsband Nr.500 hatten bereits vor Monaten begonnen.

Willi korrespondierte und telefonierte mit Kurt Bernhardt über Ideen, die diesen Anlass zu einem “Highlight” werden lassen sollten. Auch die Leser wurden befragt und es kamen zahlreiche Anregungen. Nachdem Willi schon im Juni und Juli Briefe mit Vorschlägen an den Verlag geschickt hatte, schrieb er am 21.10.1970 eine überarbeitete Zusammenfassung, die mit der Unterstützung der Leser zustande gekommen war, und schickte sie an den Cheflektor. Willi legte großen Wert auf die Mitarbeit der Leser, denn sie waren es, die zufrieden gestellt werden sollten. Gute Ideen, aber auch berechtigte Kritiken, kamen von den Lesern immer wieder und immer häufiger. Sie waren ständig Anlaß für Diskussionen zwischen Verlag und Autoren, wie viele Briefe heute noch dokumentieren.

Auch G.M.Schelwokat hatte seinen alljährlichen Urlaub im Bayerischen Wald beendet und beteiligte sich an den Diskussionen zu Band Nr. 500.

Das Erreichen von Band Nr. 500 war zweifellos ein Erfolg, den zu Beginn der Serie keiner der Beteiligten auch nur hätte erahnen können. Der Autor für diesen Jubiläumsband sollte KHS sein, der mit Band Nr. 450 „ Aufbruch der Marco Polo” seinen bisher letzten Roman geschrieben hatte. Die Terminschwierigkeiten des Chefautors bereiteten Kurt Bernhardt und GMS große Probleme, von denen auch Willi nicht ausgenommen war. Kurt Bernhardt hatte Willi die Verantwortung für die termingerechte Ablieferung der Exposés übertragen. „Voltz, Sie müssen dafür sorgen, dass der Scheer die Exposés pünktlich abliefert!” Wie sich herausstellte, war dies eine schwierige und unlösbar werdende Aufgabe. Die regelmäßigen Treffen und Willis Mitarbeit an der Exposéarbeit konnten das Problem alleine nicht lösen. Heidrun Scheer, die Herbert in bewundernswerter Weise unterstützte, arbeitete sehr viel, aber auch ihr waren Grenzen gesetzt.

Der PERRY RHODAN-Roman Nr. 500, der mit dem Titel „Sie kamen aus dem Nichts.” im Jahr 1971 erscheinen sollte, wurde von K.H. Scheer ausreichend pünktlich abgeliefert. Es sollte für lange Zeit sein letzter Romanbeitrag für die Rhodan-Serie sein.

Am 12.August 1970 schrieb Kurt Bernhardt an Willi einen Brief, in dem er ihn darüber informierte, dass die Vertragsverhandlungen mit dem japanischen Verlag betreffs der PERRY RHODAN-Serie kurz vor dem Abschluss stehen.

Ich muss Sie jedoch darüber informieren, dass wir an die Agentur, in diesem Fall Herr …, eine Provision von ...% bezahlen müssen.

K. Bernhardt beendete seinen Brief mit den Worten:

Ich nehme an, dass Sie mit der Arbeit, die ich und Herr … in dieser Sache geleistet haben, zufrieden sind.

Japan druckt heute noch und es gab kaum Grund zur Klage.

In einem kurzen Schreiben vom 11.Dezember 1970 teilte der Cheflektor Willi mit: „ …wir haben von Ihrem PERRY RHODAN-Taschenbuch Nr.9 „Invasion der Puppen” eine 2.Auflage in Höhe von…veranstaltet. Den Betrag von…überweisen wir Ihnen in den nächsten Tagen." Wir freuten uns über das zusätzliche Weihnachtsgeld. Wie seit einigen Jahren üblich, kam auch zu diesem Weihnachtsfest ein „Überraschungspaket” vom Verlag. In dem Paket befand sich eine überdimensionale Flasche Johnnie Walker, die sorgfältig verpackt war. Wie das Etikett uns bestätigte, waren es genau drei Liter braune Flüssigkeit, die diese Flasche füllten. „Ihr Autoren müsst ja einen guten Ruf haben!”, sagte ich zu Willi.

Eine Whiskyflasche mit diesen Ausmaßen hatten wir jedenfalls beide noch nie gesehen. Stolz stellten wir sie, für jeden Gast sichtbar, auf unsere Regalwand, gleich neben eine kleine, eingebaute Sitzgelegenheit. Die Flasche war noch nicht einmal geöffnet, als sie ein paar Wochen später von einer Bekannten begeistert in den Arm genommen wurde. Bei dem Versuch, das gute und schwere Stück wieder hinzustellen, rutschte es ab und zerbrach auf unserem Wohnzimmerboden. Wir verbrachten einen großen Teil des Abends damit, die wertvolle, unbrauchbar gewordene Flüssigkeit wieder aufzuwischen. Willis Vorschlag, dass wir uns alle mit Strohhalmen bewaffnet auf den Boden legen sollten, um diesen teuren Whiskey aufzusaugen, lehnten wir ab. Unser Teppich hatte diese Aufgabe gierig übernommen. Es dauerte Wochen bis der Schnapsgeruch wieder aus unserer kleinen Wohnung verflogen war.

Teil 21

Kurz vor Jahresende, am 7. 12. 1970, fand im Hause Scheer eine Besprechung statt. Neben dem Ehepaar Scheer waren Willi Voltz, Kurt Bernhardt und Willi Hauck, der damalige Herstellungsleiter, anwesend. Das Thema war der Terminengpass bei der PERRY RHODAN- und der ATLAN-Serie, der bedrohliche Ausmaße angenommen hatte.

Es wurde festgelegt, dass KHS in Zusammenarbeit mit WiVo innerhalb von einer Woche die Exposés Nr. 496 bis 499 für die PERRY RHODAN-Serie zu erstellen hatte.

Eine weitere Besprechung wurde anberaumt, an der außer Scheer und Voltz der Autor Hans Kneifel teilnehmen sollte. Thema war der Band Nr. 500, den KHS sofort nach Fertigstellung des Exposés zu schreiben hatte.

Gleichzeitig wurde festgelegt, dass Voltz und Kneifel in Offenbach die Exposés für die Bände Nr. 501-504 bis spätestens 23.12. zu erarbeiten hatten. Sofort nach Weihnachten wurden wiederum in Offenbach die nächsten vier Exposés geschrieben.

Alle Exposés gehen bei Scheer durch die Endkontrolle und werden von Frau Scheer niedergeschrieben, war die Anordnung laut Protokoll.

Zum Zwecke der Zusammenarbeit wurde für Hans Kneifel in Offenbach ein Hotelzimmer gemietet. Willi bestellte dieses Zimmer in einem alten und bekannten Hotel in der Offenbacher Innenstadt, das nicht sehr weit von unserer Wohnung entfernt war. Hans Kneifel konnte in ein paar Minuten bei uns sein, um den Tag mit Willi beim Arbeiten zu verbringen.

Die Wahl des Hotels war offensichtlich nicht die Beste – Hans erzählt noch heute von den Küchenschaben, die ihm in den Kaffee gefallen waren…

In dem William Voltz Gedächtnisband schildert Kans Kneifel diese Tage in Offenbach mit den Worten:

Ich erinnere mich natürlich ebenso intensiv an die Tage, an denen wir zusammen jene Exposés erarbeiteten, von deren Fertigstellung seinerzeit so viel abhing; trotz oder wegen der Schufterei in jenem unüberbietbar bizarren Hotel, das es heute nicht mehr gibt, hatten wir eine Menge gemeinsamer Fröhlichkeit, die echt und hilfreich war.

Meine Aufgabe an diesen Tagen war es, die beiden Autoren mit Ess- und Trinkbarem zu versorgen und außerdem unsere “Stereoanlage”, wie Hans unsere Kinder gerne genannt hatte, fern zu halten.

Nach der Fertigstellung der Exposés wurden diese nach Friedrichsdorf gebracht, wo sie Heidrun Scheer, nach der Absegnung von KHS, wie immer abschrieb, versehen mit dem Namen des Autors, Abgabetermin und allen notwendigen Informationen.

Mit diesem kleinen Vorsprung, den sich das Team, und als solches sollte man es immer sehen, erarbeitet hatte, gingen Verlag und Autoren etwas beruhigter ins Jahr 1971.

Den Jahreswechsel 70/71 feierten wir auf der Geishöh’. Die 500 Meter hoch liegende Geishöh’ befindet sich im Spessart. In den Wintermonaten war dieser Platz ein Garant für Schnee. Kennengelernt hatten wir diese familiär geführte Pension anlässlich eines Kegelausflugs im November 1967. Unsere Kegelfreunde Winfried (genannt Jackel) und Lydia verbrachten hier mit ihren Töchtern oft ihre freie Zeit. Damals waren die Zimmer noch einfach. Als Waschgelegenheit stand im Zimmer nur ein Waschbecken zur Verfügung. Ein Bad gab es auf der Etage, das man auf Nachfrage benutzen konnte. Wir fühlten uns dort wohl, zumal die Wirtin dafür sorgte, dass die Verpflegung gut war. Das Fleisch kam aus dem eigenen Stall, der an das Haus angrenzte. Für Kinder war es ein Paradies.

Es sollte nicht unser letzter Kurzurlaub auf der Geishöh’ sein.

Gleich zu Beginn des neuen Jahres erschien das erste PERRY RHODAN-Lexikon.

Es war eine überarbeitete und erweiterte Zusammenfassung aller bisher erschienenen Lexikon-Beiträge. Ursprünglich sollte es Scheers Aufgabe sein, dieses Buch zu erstellen. Völlig überfordert übergab er die Verantwortung an seine Frau, die in Zusammenarbeit mit H.G. Ewers das erste Rhodansche Nachschlagewerk verfasste.

Am 11.2.1971 ließ Kurt Bernhardt ein Schreiben an alle PERRY RHODAN-Autoren verschicken. Der Brief begann mit den Worten:

Anliegend erhalten Sie ein Rundschreiben unseres Bevollmächtigten bei der Bundesprüfstelle, Herr Dr. …. Aus diesem Rundschreiben können Sie ersehen, daß ein Herr… (Jugendreferent für politische Bildung) von der Augsburger Volkshochschule die PERRY RHODAN-Serie aufgrund eines Artikels in der Zeitschrift…angreift.
Ich kenne diesen Artikel nicht. Natürlich ist diese Zeitschrift sehr links gerichtet. Herr Dr. … hat dieses Rundschreiben und auch den Antwortbrief an Herrn…aus taktischen Gründen vorgenommen, um dem Angriff die Spitze zu nehmen.

Kurt Bernhardt bat die Autoren, das Rundschreiben genau zu lesen und darauf zu achten, dass keinerlei Anhaltspunkte für Kritik dieser Art in der Zukunft gegeben werden.

Bernhardts Besorgnis war verständlich, denn in dem Brief des Jugendreferenten vom 27.1.1971 hieß es u.a.:

Bei der Vorbereitung einer Vortragsreihe über das Welt- und Menschenbild in der Trivialliteratur ist mir aufgefallen, daß die Selbstkontrolle auf die PERRY RHODAN-Serie keinen oder zumindest keinen feststellbaren Einfluß gehabt hat. Anders kann ich mir die in dieser Serie enthaltenen Brutalitäten, den hier als Vulgär-Darwinismus getarnten Rassismus und die offene Propaganda für eine in die Zukunft projizierte faschistische Diktatur nicht erklären.

Das hörte sich zweifellos nach harter Kritik an, die durch einen zweiten Brief des Herrn Jugendreferenten vom 4.2.1971 an den Bevollmächtigten des Verlags bei der Bundesprüfstelle noch erhärtet wurde. Dieser hatte inzwischen einige Romane der PERRY RHODAN-Serie gelesen und zitierte aus verschiedenen Passagen. Dass er sich nur jene aussuchte, die man negativ bewerten konnte, verstand sich von selbst.

Am Ende seines Briefes bat er den Verlag um eine Stellungnahme zu der Aussage des Moewig-Verlags in einer Verlagsmitteilung:

PERRY RHODAN ist ein Traum für eine bessere Welt – ein Traum, der Wirklichkeit werden kann.

Eine Stellungnahme gab es dazu vermutlich nicht. Warum auch?


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